Menschenrechte: nachgefragt! - Der Interview-Podcast rund ums Thema Menschenrechte

Transkript

Zurück zur Episode

00:00:02: Menschenrechte

00:00:03: nachgefragt.

00:00:04: Der Interview-Podcast der politischen Meinung und der Konrad-Adenauer-Stiftung.

00:00:10: Heute mit... Ich bin Matteo Schürnberg.

00:00:13: Ich freue mich hier zu sein.

00:00:15: Ausgangspunkt für mich persönlich zu unseren heutigen Themen war mein Zivildienst.

00:00:22: Nach der Schule bin ich mit neunzen Jahren nach Brüssel gegangen und habe dort mit Holocaust-Überlebenden gearbeitet.

00:00:30: Zeit verbracht, vor allen Dingen Gespräche geführt und das hat mich sehr geprägt.

00:00:35: Und seitdem beschäftige ich mich eigentlich mit Fragen von Erinnerung, Auseinandersetzung mit der Geschichte bis heute.

00:00:42: Ich bin bei Aktion Synezeichen Friedensdienste, einer NGO in der Öffentlichkeitsarbeit und ehrenamtlich engagiere ich mich beim Berlin Odessa Express mit Hilfstransporten für die Menschen in der Ukraine.

00:00:55: Lieber Matteo, ganz herzlich willkommen.

00:00:57: Ich freue mich, dass du in die Konvert-Adenau-Stiftung zum Podcast Menschenrechte nachgefragt der politischen Meinung unter Konvert-Adenau-Stiftung gekommen bist.

00:01:06: Wir feiern jetzt im September schon unser viertes Jahr.

00:01:10: Von daher ist das Gespräch mit dir heute ganz besonders wichtig, weil wir über die aktuellen Krisenkriege sprechen werden, die erheblich eine Auswirkungen auf die Menschenrechte haben.

00:01:24: in verschiedenen Ländern.

00:01:26: Wir sprechen aber auch über die deutsche Verantwortung für die Menschenrechte und die deutsche Schuld.

00:01:31: Denn euch gibt es schon seit ... ... und ich möchte ganz gerne einmal zum Einstieg aus dem Gründungsaufruf der Aktion Söhne Zeichen zitieren, der sehr bewegend ist.

00:01:48: Wir Deutschen haben den Zweiten Weltkrieg begonnen und schon damit mehr als andere unmessbares Leiden der Menschheit verschuldet.

00:01:58: Deutsche haben in frevlarischem Aufstand gegen Gott Millionen von Juden umgebracht.

00:02:06: Wer von uns Überlebenden das nicht gewollt hat, der hat nicht genug getan, es zu verhindern.

00:02:18: von Präzis Lothar Kreisig auf der gesamte deutschen EKD-Synode in Berlin-Spandau.

00:02:26: Was kannst du uns zu diesem historischen Aufruf und auch zu dem Lothar Kreisig sagen?

00:02:32: Warum ist der so bedeutsam auch für euch?

00:02:36: Das ist wirklich ein bemerkenswertes Ereignis.

00:02:39: Das war zumindest in die kirchliche Öffentlichkeit hinein ein Weckruf.

00:02:44: Weil wir müssen uns vorstellen, Noch relativ kurz nach dem Krieg, der Wiederaufbau begann bereits, Wohlstand war schon wieder im Aufbau, herrschte wirklich weitgehend ein Beschweigen und Verdrängen der Vergangenheit.

00:03:01: Der Wunden, aber eben auch der schwersten Verbrechen gegen die Menschheit.

00:03:06: Und in dieses gesellschaftliche Klima der Nuranz und des Verdrängens hinein kamen halt diese klaren, auch schweren Worte, die für viele aber auch wie eine Befreiung waren.

00:03:17: Nämlich zu sagen, hier ist etwas im Raum, der Elefant im Raum, sind diese Untaten.

00:03:23: Es gab auch immer noch Ruinen im Land.

00:03:25: Es war nicht so, dass die Kriegsfolge nicht zu sehen gewesen wären.

00:03:28: Aber für viele Deutsche, für die meisten Deutschen war eigentlich das Selbstverständnis, wir sind dir eigentlich ein Opfer dieses Krieges.

00:03:35: Den Hitler und eine kleine Klicke von Verbrechern über uns gebracht haben.

00:03:39: Und wir haben damit eigentlich nichts zu tun, außer dass es uns eben Zerstörung, Flucht, Vertreibung, Verluste gebracht hat.

00:03:45: Was ja auch nicht ganz falsch war, nur dass eben das Groh der Bevölkerung auch profitiert hat.

00:03:52: Auch an demokratischen Wahlen, die NSDAP gewählt hat, in verschiedenen Organisationen mitgewirkt hat, durch Arisierungen profitiert hat, sich in einer NS-Volksgemeinschaft eingerichtet hatte, all das wurde eben beschwiegen.

00:04:05: Und es ist eben interessant, dass es Lothar Kreisig war, der diesen Aufruf vorangestellt hat, mit unter dem Motto, wer das nicht gewollt hat von uns, der hat zu wenig getan.

00:04:14: Denn er hat als einer der ganz wenigen Juristen im NS öffentlich Anklage erhoben, wegen Mordes.

00:04:22: Er war damals Vormundschaftsrichter und merkte, dass seine Mündel, Menschen mit Behinderungen, geistigen Behinderungen gehäuft verstarben und da immergleichen Todes anzeigen.

00:04:35: Da wurde er verdächtig und stellte fest, es gibt hier die Euternasie und diese Menschen werden systematisch umgebracht.

00:04:41: Da hat er nicht nur intern mal nachgefragt, sondern da hat er wirklich Mord angezeigt.

00:04:47: Es wurde dann auch interessant, weil es zeigt, Spielräume des Widerstandes, die man hatte.

00:04:52: Er kam nicht sofort ins KZ.

00:04:54: Er wurde geschützt, auch als Richter, weil der juristische Apparat zu sagen, diesen Präzedenzfall nicht öffentlich werden wollte.

00:05:02: Er wurde dann kaltgestellt.

00:05:03: Er musste in den vorzeitigen Rohestand und hat dann auch interessanten politischen Bauernwurf in Sachsen-Anhalt oder Brandenburg betrieben.

00:05:11: Aber das Bemerkenswerte ist eben, er ist mutig eingetreten für diese Menschen mit Behinderung aus seinem christlichen Verständnis heraus.

00:05:19: Und er hat dann auf diesem Hof auch zwei Jüdinnen versteckt, wurde auch spät postumem Alles gerecht an den Völkern in Yad Vashem anerkannt.

00:05:27: Also dieser Mann hat öffentlich gesagt, wir haben zu wenig getan und wir entsenden jetzt junge Menschen in die Länder zu den Menschen, die unter dem Nationalsozialismus gelitten haben.

00:05:40: Und das ist die Geschichte, wie Aktionssynezeichen anfingen.

00:05:43: Und das ist eigentlich auch noch das Format und das Ziel unserer Arbeit, die wir bis heute fortsetzen.

00:05:48: junge Menschen gehen in die Länder zu den Menschen, die im NS gelitten haben.

00:05:54: Das kann ein jüdisches Altersheim sein, das können jemalige Zwangsarbeiter in Osteuropa sein, das können Menschen mit Behinderung sein, das können aber auch Gedenkstätten sein, Museenarchive.

00:06:15: Seit die Evangelische Kirche hatte hier auch einen tiefen Spalt.

00:06:21: Es gab die deutschen Christen, der Hitler-Anhänger und die bekennende Kirche, der Hitlergegner.

00:06:29: Inwieweit war denn die Aktion Süddezeichen auch eine Reaktion auf die Schuld der Evangelischen Kirche?

00:06:37: Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt.

00:06:39: Aktion Süddezeichen war kein Fingerzeichen auf die anderen.

00:06:42: Ihr seid schuldig, ihr habt zu tun.

00:06:44: sondern es war wirklich ein selbstkritisches Wir, ein selbst hinterfragendes Wir, das aber diese Hinterfragung mit etwas Positiven, nämlich dem Tun der Aktion verbunden

00:06:55: hat.

00:06:56: Lothar Kreisig ist auch in der Hinsicht interessant.

00:06:59: Das war gar nicht so, dass er von vornherein ein klarer Gegner des Nationalsozialismus war.

00:07:04: Er war eigentlich sehr nationalkonservativ als junger Mensch geprägt und hat als Jurastudent in einer schlagenden Verbindung zum Beispiel einen Schmiss gehabt.

00:07:11: Und hatte dann das Glück, als er einen Staatsdienstrat in Sachsen und einen sehr demokratischen, ich glaube sozialdemokratischen Vorgesetzten zu kommen, der ihn eben sehr geprägt hat.

00:07:21: In seinem christlichen Verständnis, in seinem Rechtsstaatsverständnis, also auch als Jurist, hat er gesagt, das ist Unrecht als Christ und als Jurist.

00:07:30: Und als Bürger hat er dann gesagt, wir müssen intervenieren.

00:07:33: Es gab weitere Menschen der bekennenden Kirche wie Martin Niemöller, die Aktion Sündezeichen geprägt hat, die Dalemmer Gemeinde, die ein wichtiger Ort des Widerstandes war, eine weitere prägende Figur war Franz von Hammerstein, Sohn des letzten Generalstabs-Vorsitzenden der... in der Reichswehr noch revoltiert hat gegen Hitler und gesagt hat, das mache ich als deutscher Militär nicht mit.

00:07:56: Und dessen Sohn mehrere Brüder waren auch im Widerstand vom XX.

00:08:00: Juli involviert.

00:08:02: Und dieser jüngere Sohn Franz kam dann eben in Sippenhaft in Buchenwald, hat überlebt in den Alpen und hat dann eben auch die Aktions- und Sehnezeichen fortgeführt.

00:08:12: Also diese Menschen waren wirklich in verschiedenerlei Hinsicht.

00:08:15: Stark geprägt.

00:08:17: Ganz zentral war auch die Auseinandersetzung mit christlichen Anti-Judaismus.

00:08:21: Also diese langen, langen Geschichte der Vorurteile, die es ja übrigens auch in der Bekennendenkirche gab.

00:08:26: Das muss man noch hinzufügen.

00:08:28: Also jemand wie Dietrich Bonnhöfer war in der Bekennendenkirche noch mal eine Minderheitenposition, die nämlich nicht nur gesagt haben.

00:08:35: Wir sind gegen die Nationalsozialisten, sondern wir sind auch gegen die Vorurteile und Herabsetzung des Judentums aus einer falsch verstandenen christlichen, theologischen Tradition.

00:08:46: Sodass sich das aktive Tun, das Zugehen auf die Verfolgten und Opfer immer auch verbannt mit dem Hinterfragen der eigenen Geschichte.

00:08:54: Auch aus dem Verständnis heraus, wenn ich das nicht tue, wenn ich voreilig nur Aktienismus betreibe, im Sinne von Wiedergutmachung.

00:09:01: Ich mach da mal was, ich zahl da mal was und dann ist es gut.

00:09:05: Nein, darum geht es nicht.

00:09:06: Es geht um eine wirkliche Auseinandersetzung und zwar nicht nur für die verfolgen, weil die verfolgen das einen fordern, sondern auch für einen selbst.

00:09:14: Man, sonst kommt man aus diesem Unheißstrudel und das würde heute modern gesprochen, auch eine Traumaforschung sagen.

00:09:22: Es braucht eben eine wirklich aktive Bearbeitung.

00:09:25: Und das schwang damals aus einem christlichen Verständnis, natürlich noch nicht in den modernen psychologischen Verständnis von heute, aber es sind eigentlich schon interessante Überschneidungen, die es damals schon gab, zu sagen, wir müssen das tun und zu hinterfragen.

00:09:41: Und das ist, glaube ich, auch das Produktive.

00:09:43: Danke.

00:09:43: In den letzten Jahren gab es die DDR schon, die Bundesrepublik schon, die beide in den Neunzehnundvierzig gegründet worden waren, fast zehn Jahre.

00:09:52: Trotzdem gab es noch in Berlin-Spandau die gesamteutsche EKD-Synode.

00:09:58: Wie hat sich das denn dann in den folgenden Jahren auch auf die Arbeit der Aktion Südenzeichen ausgewirkt?

00:10:06: Ja, der Kalte Krieg und dann eben auch schon die aufziehende deutsch-deutsche Teilung haben die Arbeit stark geprägt.

00:10:14: Es gab auch Vorbehalte eben aus der Sorge heraus, aus der Westdeutschen Sicht, dass, wenn man jetzt und Aktion Südenzeichen hat gesagt, wir wollen allen Opfern recht tun, allen voran in den Ländern Polen, Israel und wie es hieß Russland, gemeint war die Sowjetunion.

00:10:31: Und vor dem Hintergrund gab es eben auch immer große Sorgen, dass damit ein Zugehen auf die sozialistischen Machthaber verbunden ist.

00:10:39: Was es aber nicht war, weil interessanterweise dort ja auch nur ein selbst erklärter Antifaschismus herrschte, der eigentlich in der Verdrängung bestand.

00:10:48: Die Nazis sind alle im Westen, damit haben wir nichts zu tun.

00:10:51: Aber das Herangehen von Aktionen-Synezeichen war immer ein anderes, nämlich eben wirklich zivilgesellschaftlich.

00:10:57: zu den Menschen und Gruppen zu gehen, die verfolgt waren.

00:11:00: Und wenn man sich klarmacht, dass eben in den fünftiger Jahren die spätstalinistische Wiederverfolgung von Juden ja mit Schauprozessen Juden wurden abgeurteilt mit den absurdesten Verdächtigungen, wurden aus den kommunistischen Parteien gedrängt, aus dem öffentlichen Leben gedrängt, sind ja auch zahlreich dann ausgewandert, so sie noch konnten.

00:11:19: Das war eigentlich immer sehr schnell klar, dass daraus eigentlich Immer auch ASF dazu kam, über die Partner zum Beispiel in Polen zu merken, hier sind die Menschenrechte gefährdet.

00:11:30: Und lange Zeit war dieser Arbeit erst wegen auch kaum möglich.

00:11:32: Sie war eigentlich nur Klandestin möglich.

00:11:34: Selbst aus der DDR konnten Sünezeichen-Aktive nur heimlich ausreisen.

00:11:39: Die haben sich als Fahrrad-Touristen getan, um über die DDR polnische Grenze zu kommen und haben dann auf Fahrrädern, sind sie nach Auschwitz und Maidanenck gefahren, auf Pilgerfahrten.

00:11:51: wo es eben auch kaum Besucher gab zu der damaligen Zeit, zumindest kaum deutsche und westeuropäische Besucher.

00:11:57: Und das konnte nur heimlich geschehen, weil das eben der DDR-Führung und auch der polnischen Führung ein Dorn im Auge war, dass da Christen sich selbstständig organisieren, selbstständig nach Polen fahren, dort von christlichen Gemeinden aufgenommen werden, auch aus dem katholischen Verständnis heraus, das passt natürlich überhaupt nicht.

00:12:17: Und das ist eben interessant, dass dieses Erinnern in beiden Teilen Deutschlands erstmal unter großem staatlichen und auch gesellschaftlichen Vorbehalt stand und gegen viele Widerstände erkämpft angegangen

00:12:28: werden musste.

00:12:30: Viele Widerstände gab es auch in den Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.

00:12:36: Vor allem auch der Bundesrepublik Deutschland und Israel und ihr habt das auch auf eurer Homepage vermerkt, dass wir in diesem Jahr zwar sechzig Jahre deutsch-israelische Beziehungen feiern, dass ihr aber schon vierundsechzig Jahre in Israel tätig seid.

00:12:54: Wie muss man sich das vorstellen?

00:12:55: Deutschland war natürlich sehr, sehr unbeliebt.

00:12:59: Wie konntet ihr als in Deutschland gegründete christliche Organisationen, die auch noch so stark durch den Nationalsozialismus belastet war, wie konntet ihr überhaupt in unseren sechstlichen Israel in eurer Arbeit aufnehmen?

00:13:13: Ja, ASF war früh in Israel und trotzdem war das ja gar nicht selbstverständlich damals.

00:13:19: Die ersten Projekte konnten in Norwegen und den Niederlanden stattfinden.

00:13:24: In Osteuropa, wie gesagt.

00:13:26: noch nicht damals aufgrund des Kalten Krieges.

00:13:28: Und es gab dann erste Kontakte auch zu jüdischen Gemeinden, zu jüdischen Partnern, insbesondere auch zu deutschstämmigen Juden, in Israel aber auch in anderen Gemeinden.

00:13:38: Es gab ein wichtiger Schritt.

00:13:40: Ein Synagogenbau in Lyon, in Wirban, einem wichtigen jüdischen Wohnviertel, wo eine Synagogen neu gebaut wurde, auch mit Synözeichen freiwilligen.

00:13:48: Das war ein paar Jahre vorher gewesen.

00:13:51: Und das waren so die ersten Schritte des Vertrauens.

00:13:53: Und es gab dann eben deutsche Jecken, deutschstämmige Juden in Israel, die sich sehr engagiert haben.

00:14:00: Es gab dann einen wichtigen Rückschritt.

00:14:01: Das war der Eichmann-Prozess, der ja auch in Israel ganz viel erst aufgewürbelt hat.

00:14:06: Das macht man sich auch nicht klar.

00:14:08: Also auch in der Frühphase Israels waren Holocaust-Überlebende mit anderen beschäftigt als mit einer Zeitzeugenrolle.

00:14:16: Sie mussten überhaupt ihr Leben aufbauen.

00:14:18: Im Großteil ihrer Familie verloren.

00:14:21: Ökonomisch die Bedingungen waren sehr schwierig.

00:14:23: Das waren noch mal ein ganz anderer Aufbau in Israel.

00:14:25: Es gab auch ein Spannungsverhältnis, warum in der israelischen Gesellschaft der Holocaust so wenig thematisiert wurde, weil aus einem zionistischen Verständnis immer die Antwort Israel war und der Wiederaufbau und die Wehrhaftigkeit nur zu verständlich.

00:14:37: damals ein Land unter beständiger Kriegsgefahr.

00:14:41: Aber das führte eben dazu, dass auch innerisraelisch die überlebenden kaum eine Stimme und eine Rolle hatten.

00:14:47: Und das wirbelte der Eichmann-Prozess dann auf.

00:14:50: Und das war erst mal auf eine Weise ein Rückschlag, weil es so sensibel war, nur zu verständlich.

00:14:55: Doch weniger Jahre später oder wenige Monate später konnte dann eben doch, konnten die ersten Gruppen ausreisen.

00:15:01: Überwiegend in Kibuzim, also haben in diesen dörflichen Siedlungen eben in der Landwirtschaft geholfen, wirklich angepackt.

00:15:09: haben dann in einer blinden Schule wirklich Bauarbeiten ganz einfache Bedingungen gearbeitet.

00:15:14: Die ersten Projekte, das ist ohnehin interessant, bestanden wirklich ganz oft in ganz konkretem Wiederaufbau.

00:15:19: Also in Nordnorwegen, wo die Wehrmacht verbrannte Erde hinterlassen hat, eine Kirche aufbauen oder eine Schule.

00:15:26: Das waren auch die ersten Projekte dann in Israel.

00:15:29: Und erst später kam die eigentliche Zeitzeugenarbeit dann dazu.

00:15:33: Und da gab es eben prägende Figuren, die... diese ersten Schritte der Versöhnung gegangen sind.

00:15:38: Und dadurch war ein Stück weit ASF, und da gehören auch andere Freiwilligenorganisationen dazu, Pioniere für die späteren diplomatischen Beziehungen tatsächlich.

00:15:47: Wie stark wart ihr in Deutschland selbst aktiv, wenn es darum ging, die hier zerstörten jüdischen Gemeinden zu unterstützen beim Wiederaufbau oder Wiederaufleben?

00:15:59: Ja, der Grundgedanke war seinerzeit gewesen.

00:16:03: junge Menschen ins Ausland zu schicken und diese internationale Dimension ist wichtig.

00:16:08: Aber gerade in der DDR, wie angesprochen, war das nicht möglich.

00:16:11: DDR-Burger durften in den Westen ohnehin nicht ausreisen, aber auch ins sozialistische Ausland nicht so ohne Weiteres.

00:16:18: Und dadurch hat sich dort auch eine ganz andere Form von Freiwilligen Engagement entwickelt.

00:16:22: Man konnte in der DDR nicht einfach sagen, ich mache jetzt ein Jahr lang Freiwilligendienst oder geben.

00:16:26: gehen nicht in ein normales Beschäftigungsverhältnis.

00:16:29: Deswegen haben die Leute ihren Jahresurlaub geopfert, um dann in zwei Wochen im Sommer sogenannte Sommerlager zu betreiben.

00:16:37: Und auch dort waren viele Projekte, die wirklich im Aufbau bestanden.

00:16:41: Also die ersten Sommerlager waren in Kirchenruinen in Magdeburg, wo erst mal wirklich tonnenweise Schutt rausgeräumt wurde, auch unter abenteuerlichen Bedingungen, wenn man heute die Bilder sieht.

00:16:51: Gott sei Dank ist dann niemanden was passiert.

00:16:53: Und das sind die ersten Anfänger.

00:16:56: Und was wichtig ist, in der DDR war jüdisches Leben ja auch nicht ohne weiteres öffentlich möglich, sondern stand unter ganz großem Druck, unter Druck der Stasi, unter Druck der Anpassung.

00:17:06: und deswegen spielten Zeitungen wie das Ehepaar Lauscher aus Tschechien eine große Rolle, die eben die Sommerlager besuchten und als einer der ganz ersten Zeitzeugen stimmten über die Shoah berichteten, aber auch über jüdisches Leben vorher in Tschechien beispielsweise und die deutsch-tschechischen Beziehungen.

00:17:24: Das war ja hoch tabuisiert in der DDR.

00:17:27: Und das waren kleine Fenster unter dem Schutzraum der Kirchen, wo Menschen eben sich gemeinschaftlich organisieren konnten, auch frei, also anders als in der FTJ oder in den Massenorganisationen.

00:17:39: kleine Gruppen, die sich selbst organisiert haben.

00:17:42: Später wurde auch mal gesagt, das waren die ersten Schulen der Demokratie, weil dort man eben frei, relativ frei diskutieren konnte und auch zusammenarbeiten konnte.

00:17:51: Später kamen dann auch Projekte auf jüdischen Friedhöfen hinzu.

00:17:54: Also zum Beispiel auf dem jüdischen Friedhof Weißensee.

00:17:57: Aktionssühnezeichen waren die ersten, die dort Pflegerarbeiten betrieben haben.

00:18:01: Und wenn man mal spaziert, mir ist es mal in Eberswalde passiert, waren kleine verbitterte Tafel.

00:18:06: hier haben in den achte Geier an Freiburg von Aktionssühnezeichen eben Pflegerarbeiten

00:18:12: vorgenommen.

00:18:13: Das heißt, euch gab es durchgehend auch in der DDR?

00:18:16: Ja,

00:18:17: das ist richtig, aber eben in anderer Form.

00:18:20: Aber das war ganz wichtig, weil auch die ersten Kontakte ... in nach Polen, nach Tschechien, eben Klandestin, über die DDR passiert sind.

00:18:29: In einem Bundestagsprotokoll vom zwölften April, ist der Abg.

00:18:37: Wolf gestellt.

00:18:38: Der Herr Präsident Dr.

00:18:39: Gersten Maier trägt die vor.

00:18:43: Und ich möchte das zitieren, weil es da auch einige Bezüge zu eurer Arbeit bis in die heutige Zeit gibt.

00:18:49: Er fragt der Abg.

00:18:51: Wolf, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung der segensreichen Tätigkeit der Aktion Sühnezeichen im Rahmen der Völkerverständigung Unterstützung zukommen zu lassen?

00:19:02: Frage Nummer zwei ist die Bundesregierung bereit, den anerkannten Kriegsdienstverweigerern, die sich freiwillig zum Einsatz durch die Aktion Südenzeichen bereitgefunden haben, diese Zeit auf den zivilen Ersatzdienst anzurechnen.

00:19:16: Und Frage drei, wie groß ist die Zahl der Personen aufgegliedert nach Altersstufen, die durch die Aktion Südenzeichen bisher im Ausland eingesetzt wurden?

00:19:26: Das waren drei sehr spannende Fragen.

00:19:29: Vor allen Dingen natürlich, dass ... ... neun Jahre nach eurer Gründung ... ... schon die verdienstvolle Tätigkeit der Aktion Süddezeichen ... ... im Bundestag so in dieser Form hervorgehoben wurde.

00:19:42: Das ist ja ... ... ein sehr positives Feedback, würde man heute sagen.

00:19:48: Was ich aber auch sehr spannend finde, ... ... du hast selbst dein Ziviliens bei der Aktion Süddezeichen gemacht, ... ... dass tatsächlich in den sechzehren Jahren schon ... Das Thema Kriegsdienst, Verweigerung und ziviler Ersatzdienst bei der Aktion Südenzeichen thematisiert wurde im Bundestag.

00:20:04: Wie hat sich das entwickelt und welche Bedeutung haben die Zivilienstleistenden tatsächlich für eure Arbeit in den letzten sechs, gut sechs, halb Jahrzehnten?

00:20:15: Ja, das ist eine spannende Phase, wo, ich glaube, Südenzeichen, aber auch andere Organisationen aus dem ... Raum der Kirche hinauswuchsen und es auch zu so einer ersten Form von staatlicher Anerkennung gab oder zumindest von einigen Seiten freiwillige unterstützt wurden.

00:20:32: Also es gab es auch schon vorher kommunalpolitisch, dass der Senat Berlin oder einzelne Gemeinden freiwillige entsendet haben, vielleicht auch finanziell ein bisschen unterstützt haben, aber sonst war es überwiegend.

00:20:44: ein Werk aus den Kirchen heraus, wo einzelne Landeskirchen seine Zeichen gefordert hatten.

00:20:50: Und hier sehen wir, glaube ich, die ersten Anfänge auch einer neuen Ostpolitik, einen neuen Selbstverständnis ist es eben auch im Zuge der Anerkennung der Bundesrepublik stärker historisch auch Verantwortung zu übernehmen.

00:21:00: Und zum Zweiten haben wir die Entwicklung der Kriegsdienstverweigerung.

00:21:04: Und das ist tatsächlich ein wichtiger Schritt, dass diese Dienste dann zumindest für Männer als andere Dienste im Ausland anerkannt wurden, staatlich geregelt wurden.

00:21:14: Dadurch auch diese freiwilligen Dienste viel mehr vor allen Dingen auch Männer zugänglich wurden.

00:21:18: Und das ist auch interessant.

00:21:20: Also, damals sind eben viel mehr Männer auch in soziale Tätigkeiten gekommen, in der Begleitung von Holocaust-Überlebenden, in sozialen Berufen.

00:21:29: Und haben diese Erfahrung eben gemacht.

00:21:32: Und zum Zweiten sehen wir eben, dass aus dieser anfänglichen Opposition heraus, dieser Gedanke historische Verantwortung zu übernehmen, zumindest ersten, ersten Schritten.

00:21:41: Und da gab es auch viele Rückschläge.

00:21:43: Aber in ersten Schritten schon auch staatliche Anerkennung erfährt.

00:21:48: Aber wie gesagt, das war damals noch sehr unterschiedlich.

00:21:51: Und heute sind wir eben an dem Punkt, wo eigentlich jeder deutsche Botschafter froh ist, wenn er an einen Gedenkort geht, nach Lidice, nach Yad Vashem, ans Holocaust-Museum in Washington, Orodyr in Frankreich, dass es dort eben Südenzeichen freiwillige gibt, die für diese Versöhnung stehen und eben auch persönlich berichten können und kleine Bindeglieder sind.

00:22:12: Aber das war seinerzeit auch noch nicht selbstverständlich.

00:22:15: Deswegen fragt, glaube ich, auch diese Abgeordnete, die Bundesregierung.

00:22:18: Kannst du denn jetzt so viele Jahrzehnte später auch die Frage des abgeordneten Wolf offen und ehrlich transparent beantworten, wie viele Menschen ihr bisher ins Ausland entsendet hat?

00:22:34: Auf die letzte Stelle kann ich es nicht sagen, weil es eben auch wilde Zeiten waren, wo es auch unterschiedliche Formen gab.

00:22:39: Es gab auch mal zeitweilig Programme in Indien und Vietnam.

00:22:42: Also das kann man auch durchaus kritisch hinterfragen, wie sehr da dem Zeitgeist nachgegangen wurde.

00:22:47: Aber wir schätzen, dass um die zwölftausend Menschen einen einjährigen Freiwilligendienst geleistet haben und um die sechzehntausend Menschen einen Freiwilligendienst in den Sommerlagern, also zwei Wochen im Sommer.

00:23:00: Heute haben wir rund hundertzwanzig Freiwillige im einjährigen Freiwilligenprogramm und so um die zweihundert junge Menschen in den Sommerlagerprogramm.

00:23:09: Das ist vielleicht auch der goldene Brückenschlag.

00:23:11: jetzt zu eurer aktuellen Arbeit.

00:23:14: Tatsächlich, du hattest in der Selbstvorstellung schon angesprochen, dass du zwei Hüte auffass, dass du auch noch in diesem Projekt Berlin Odessa Express mitarbeitest.

00:23:24: Und du hattest mir auch schon verraten, dass du im Juli zum letzten Mal in Odessa warst mit diesem Projekt.

00:23:30: Inwieweit seid ihr da in die Unterstützung der Ukraine involviert?

00:23:36: Was macht ihr da konkret?

00:23:38: Also ein Ausgangspunkt von Aktionen-Sühne-Zeichen war der schmerzliche Abbruch unseres Freiblingen-Programmes in der Ukraine, aber auch in Russland und in Belarus, in Folge der russischen Vollinversion.

00:23:51: Wir mussten bereits aus den Krims und im östlichen Landesteil beenden, weil die ja dann von Russland besetzt wurden.

00:24:00: Das waren die vermeintlichen Grünmännchen, aber wir wissen eben, es war eine ganz gezielte militärische Angriff und eine Destabilisierung.

00:24:08: Ab im Jahr-Zwischen-Jahr muss man dann eben auch die verbliebenen Freiwilligen abberufen, weil eben unser Grundsatz und auch Rechtliches so ist, wir können keine jungen Menschen und wollen auch keine jungen Menschen in Kriegsgebiete in Sennen.

00:24:21: Das sind keine Friedensfachkräfte, das sind Freiwillige.

00:24:25: Umso wichtiger war uns aber, unsere Partnern beizustehen.

00:24:28: Und

00:24:29: es hat uns dann wirklich in den ersten Tagen des Februars, in den ersten Kriegstagen, dann einen Anruf erreicht aus Odessa, aus der Uniklinik.

00:24:37: Wir brauchen Schutzwesten.

00:24:38: Wir gehen davon aus, die Stadt wird nicht mehr lange zu halten sein.

00:24:41: Unsere Ersthelfer werden Menschen retten müssen und werden unter Beschuss geraten.

00:24:46: Wir brauchen einen schusssichere Westen.

00:24:48: Wir brauchen jedes Medikament, jedes Hygienemittel, was ihr bekommt.

00:24:52: Und das haben wir dann relativ kurzfristig als Privatinitiative, eine Ärztin, die ukrainische Wurzeln auch aus Odessa hat, war eine Ingenieure, ein IT-Unternehmer, mehrere Menschen auch von Aktien und Südenzeichen, die eben Bezüge zur Ukraine hatten, haben sich dann zusammen telefoniert und in wenigen Tagen haben wir den ersten Transport mit zwei Wagen zusammengestellt.

00:25:12: Diese Schutzwesten, die es damals auf dem Markt natürlich überhaupt nicht mehr zu kaufen gab, irgendwo noch organisiert, aus Westfalen nach Berlin gebracht und dann sind wir zwei Tage die Nacht durch an die romänisch-ukrainische Grenze gefahren, so im Donau-Delta und haben an der Grenze die ersten Hilfsgüter übergeben.

00:25:31: Und das ist das, was wir ehrenamtlich seitdem tun als Berlin-Odessa Express.

00:25:36: Hilfe organisieren, die direkt Menschen

00:25:38: erreicht

00:25:39: in Odessa, aber

00:25:41: auch in anderen Regionen im Südosten.

00:25:44: Und ein wichtiger Bezugspunkt für Aktionen Südenzeichen ist dabei, dass wir

00:25:48: es oft

00:25:48: mit Gruppen zu tun haben, die auch damals schon im Nationalsozialismus gelitten haben.

00:25:52: Also ganz konkret NS-Überlebende, die als ehemalige Zwangsarbeitende oder jüdische Überlebende der Shoah, die in Gettos in der Ukraine überlebt haben, die jetzt nochmal

00:26:03: einen Krieg

00:26:04: überleben müssen.

00:26:06: Es sind ja auch schon Holocaust-Überlebende gestorben, tatsächlich bei Bombenangriffen, viele andere ältere Menschen auch.

00:26:13: Wir arbeiten aber mit einer Organisation zusammen, die auch zum Beispiel die Roma-Community schon vor dem Krieg unterstützt hat.

00:26:21: Und das sind Gruppen, die eben besonders leiden, die also arm sind, die älter sind, aber auch Familien mit Kindern, die nicht so mobil sind, die auch nicht einfach flüchten können.

00:26:31: Das macht man sich auch nicht immer klar.

00:26:33: Und die unter diesen jetzt fast täglichen Angriffen leiden.

00:26:37: und für diese Menschen organisieren wir

00:26:39: Hilfe.

00:26:40: Du hattest im Vorgespräch schon gesagt, dass es für euch gar nicht einfach war, im Osten unter der totalitären Diktatur in der Sowjetunion zu arbeiten.

00:26:53: Auch in Osteuropa unter den totalitären Strukturen.

00:26:57: Wie hat sich eigentlich der... Fall der Mauer und das Ende des Kalten Krieges auf eure Arbeit in diesen Ländern, Osteuropas und der E-Maligen Sowjet-Union, ausgewirkt.

00:27:08: Du hast jetzt ein paar Beispiele aus der Ukraine gebracht, aber in Russland und Belarus angesprochen.

00:27:14: Wie hat sich das in den letzten thirty-fünf Jahren für die Aktion Südenzeichen entwickelt, das Feld?

00:27:19: Es gab eine große Entwicklung, eigentlich auch eine glückliche Entwicklung.

00:27:22: Es gab ja nach dem Fall des eisernen Vorhangs eine Öffnung.

00:27:26: Was wichtig zu erwähnen ist, wir waren in diesen Ländern eben schon vorher.

00:27:30: Einerseits dank der Kontakte über Aktionssinnzeichen in der DDR, die ganz überwiegend klandestin, zivilgesellschaftlich, zum Beispiel mit den Clubs der katholischen Intelligenz, das ist so der liberale Flügel des polnischen Katholizismus, das zusammengearbeitet hat, in Tschechien Partner hatte, in Ungarn Partner hatte.

00:27:47: Zum anderen gab es aber auch über offizielle Kontakte aus Westdeutschland nach Polen offiziell den Weg der Kontakte, also auch im Zuge der deutsch-polnischen Annäherung der Ostverträge.

00:28:00: Das war aber ein anderes Level und das ist interessant.

00:28:03: Das war eben der offizielle diplomatische Weg, wo man sich also auch mit der polnischen Staatsführung das alles klären musste, rücksicht nehmen musste.

00:28:11: Aber ein wichtiger Begegnungsort, der schon in den Achtzigerjahren dann fertiggestellt worden konnte und in den Siebzigerjahren vorangetrieben wurde, war die internationale Jugendbegegnungsstätte in Oszwentschem bei Auschwitz.

00:28:23: Also es gab immer diese zwei Wege von unten zwischen DDR und den Ostblockstaaten und dann der offizielle Weg aus Westdeutschland.

00:28:30: Ab den neunziger Jahren konnte man dann frei wirklich freiwilligen Dienste auch in Russland, Belarus, der Ukraine aufbauen.

00:28:39: Und das war natürlich ganz wichtiger Jahre, weil dadurch ganz andere verfolgten Gruppen zugänglich wurden.

00:28:45: All die Zwangsarbeiter, sowjetischen Kriegsgefangenen, die oftmals unter schlechtesten Bedingungen lebten, keine Form von Anerkennung oder Entschädigung erhalten hatten, auch mit ihren eigenen Geschichten, der der Sowjetunion gar keinen Raum hat, das macht man sich auch nicht klar.

00:29:00: Diese Geschichten waren unterdrückt, sie waren stigmatisiert, sie galten als Kollaboratöre, nur weil sie mit sechzehn Jahren zur Zwangsarbeit verschleppt wurden und dann gebrochen, wenn sie wieder kamen, diese Geschichten konnten sie nicht erzählen.

00:29:12: Die jüdischen Gemeinden, es gab sie in der Sowjetunion, waren ganz klein, standen unter massiven Druck, auch immer unter dem Verdacht, dass sie internationale Kontakte hätten und konnten eben auch nicht wirklich ihr Leben, ihr Gemeindeleben leben und erst recht nicht ihre eigentlichen Geschichten der Verfolgung zu erzählen.

00:29:27: Es gab nur den rumreichen antifaschistischen Kampf.

00:29:30: Aber die eigentlichen Biografien der Verfolgten fanden keinen Platz.

00:29:33: Das war einfach ein ganz wichtiger Schritt, dass jetzt Freiwillige diese Menschen besuchen konnten, die wirklich unter einfachsten Bedingungen gelebt haben.

00:29:42: Im Zuge der Gründung der Stiftung Änderung, Verantwortung Zukunft und der Zwangsarbeiterentschädigung gab es daher dann auch wichtige Projekte.

00:29:50: gefördert wurden, dass diese Menschen dann, es gab dann soziale Angebote und so weiter.

00:29:56: bei all diesen Aktivitäten waren Freiwillige involviert, ebenso bei der Gründung von Memorial, einer ganz wichtigen Organisation, die eben Aufarbeitung betrieb, weil nun nach dieser langen Zeit der stalinistischen Beschweigens der geschlossenen Archive, Archive geöffnet wurden, eine ganz, ganz wichtige Quelle, die sowjetischen Archive, auch da waren Freiwillige beteiligt mit Übersetzungsarbeiten, Recherchen.

00:30:18: Und was vielleicht noch ein wichtiger Punkt ist, oft wird ja in der deutschen Erinnerungskultur, denken wir in den Historikerstreit, die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Stalinismus gegeneinander aufgerechnet.

00:30:30: Also denke ich an die stalinistischen Opfer, tue ich das um weniger an die NS-Opfer zu denken, spitze ich es jetzt mal zu.

00:30:37: Und der Zugang von Südzeichen ist genau ein anderer.

00:30:40: Wir haben eben Menschen kennengelernt, die doppel repräsiert waren.

00:30:45: Also die beispielsweise zur Zwangsverwaltung nach Deutschland verschleppt wurden und kaum zurückgekommen in diese Wertunion, in der sie im Jahr nineteen vierzehntfünfundvierzig direkt wieder ins Gulag mussten, weil sie angeblich Kollaborateure waren, die als Jüdinnen und Juden zweifach verfolgt wurden.

00:30:59: Natürlich in unterschiedlichen Systemen, es geht überhaupt nicht um Gleichmachung, aber biografisch war es einfach interessant zu sehen, hier gibt es Menschen, die haben diese beiden Verfolgungsgeschichten und man muss sich zusammen denken.

00:31:08: nicht gegeneinander aufrechnen, sondern es geht einfach um historisches Verständnis.

00:31:12: Und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger historischer Zugang, der sich in den neunziger Jahren entwickelt hat.

00:31:18: Warum Aktion Lühnezeichen auch nicht die Fehler begeht, die jetzt gerne die russische Geschichtspropaganda ausnutzt, nämlich das gegeneinander auszuspielen.

00:31:26: Wir können noch nicht die Nazis sein, wir sind die Antifaschisten, wir können auch keine Kriegsverbrechen begehen, die Nazis sind alle in der Ukraine oder sind alle im Westen.

00:31:33: Und leider verfängt ja dieses Narrativ nach wie vor und unser Blick war... auf Osteuropa eben schon immer ein ganz anderer, nämlich der auch der Partner, die uns gesagt haben, wir als Memorial, die uns mit diesen stalinistischen Verbrechen auseinandersetzen, wollen mit euch in einen Dialog dazu treten.

00:31:50: Und das ist ein Zugang, der ganz wichtig ist, um Osteuropa zu verstehen und zu verstehen, warum es richtig ist, die Ukraine zu unterstützen und dass das nicht geschieht aus einem Verdrängen der NS-Verbrechen gegen die Sowjetunion.

00:32:02: Nein, am Gegenteil.

00:32:03: Weil wir diese Geschichte kennen, diese Gewaltgeschichte, muss man sich für Freiheit einsetzen der Menschen in den postowärzischen

00:32:10: Staaten.

00:32:10: Inwieweit seid ihr denn beort auch mit Organisationen wie Memorial, die Ende der achtziger Jahre in der Sowjetunion gegründet wurden?

00:32:19: Inwieweit seid ihr mit denen vernetzt gewesen oder heute noch mit ähnlichen Organisationen verbunden?

00:32:28: Kannst du da was zu sagen, wie wichtig, sagen wir mal auch so, diese Kommunikation zwischen den gesellschaftlichen Eliten für eure Arbeit ist?

00:32:37: Ja, das waren ja gegen Eliten.

00:32:39: Das war die Kritik.

00:32:41: die oft unter einfachsten Bedingungen Halbklandestin eigentlich nur, oftmals hier nur lesen und denken konnte, gar nicht öffentlich

00:32:49: sprechen,

00:32:50: sondern sie haben in Küchen, haben sie sich organisiert

00:32:52: und Geschichten

00:32:53: erzählt und Geschichten gesichert und Bücher kopiert, die verboten waren, die es in keiner Buchhandlung zu kaufen gab.

00:32:59: Das war ein ganz wichtiger Pan.

00:33:01: Das waren natürlich Nischen, wobei aus diesen Nischen, aus der katholischen Clubs der Intelligenz heraus, dann ja auch wichtige Bewegungen entstanden, Demokratiebewegungen, auch in der DDR haben wir diese Entwicklung gesehen, die dann auch nach neunzehnundneunzig eben oftmals politisch Verantwortung übernommen haben.

00:33:18: Insofern waren das wichtige Partner und es ist jetzt um so mitra zu sehen, dass wir in Russland, aber auch im Belarus, eine derartige Repression haben, dass die allermeisten Partner entweder ins Ausland gehen mussten oder sich sehr, sehr bedeckt halten können.

00:33:33: Und deswegen haben wir auch gesagt, wir können nicht weiter in Belarus und Russland arbeiten, obwohl gerade jetzt dort eigentlich diese Partner zu stärken wären.

00:33:43: Und das ist auch eine Rolle von uns, die Perspektiven unserer Partner beispielsweise aus Belarus gerade jetzt in die Öffentlichkeit zu tragen, weil sie nicht gehört werden.

00:33:51: Deswegen finde ich auch die Reihe Kaffekir, der Konrad-Anhör-Stiftung zu bemerkenswert.

00:33:57: Ich war auf vielen Stiftungs-Events verschiedener Stiftungen, aber ich habe selten einen Ort erlebt, der im positiven Sinne so überrannt und so lebendig war, weil man merkt, dort sind wirklich Menschen, die unter Druck stehen, unter existenziellem Druck und die dem zivilgesellschaftlich etwas entgegensetzen.

00:34:12: Und das ist auch eine Rolle, die Axel Südenzeichen hat, diese Stimmen hörbar zu machen.

00:34:17: Aus der Ukraine, auch wenn Putin versucht auf Zeit zu spielen und diese Stimmen verklingen zu lassen, einfach weil der Krieg immer weitergeht und man denkt, ja, ich habe diese Bilder gesehen, ich habe diese Stimmen schon gehört.

00:34:29: Aber nein, gerade jetzt muss man ihn zuhören.

00:34:31: Gerade auch aus Belarus, die Demokratiebewegung ist ja weitgehend repressiert worden.

00:34:37: Und sofern, ja, das sind ganz, ganz wichtige Lernerfahrungen auch für uns gewesen seit der Jahr

00:34:41: neunzig.

00:34:42: Jetzt haben wir diese Zeitenwende.

00:34:44: Diskussion in der Ukraine wird unglaublich viel gerade zerstört.

00:34:50: Unglaublich viele Menschen getötet durch den russischen Angriff.

00:34:54: Ihr seid trotzdem noch präsent mit euren Projekten.

00:34:58: Wie nimmst du die Diskussion über diese Vergangenheit in der Ukraine aktuell?

00:35:05: Ist da nochmal ein neues Momentum sich tatsächlich auch mit der ... totalitären Unterdrückung in der Sowjetunion heute noch mal anders auseinanderzusetzen, weil aus Russland hören wir, dass jetzt wieder Stalin in irgendwelchen U-Bahnen aufgebaut wird, Stalin-Denkmäler aus den Kellern geholt werden und in der Ukraine, wie vielleicht auch in anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion.

00:35:32: wird genau der gegenteilige Effekt erzielt, dass eben die totalitäre Unterdrückung und auch der brutale Angriffskrieg, den wir heute haben, in einen engeren Bezug gesetzt wird.

00:35:45: Welche Beobachtungen hast du in der Ukraine bezüglich dieser historischen Dimension gemacht aktuell?

00:35:50: Ein

00:35:51: Stück weit gab es diese Entwicklung auch schon vor der Vollinversion.

00:35:57: Also das in postevertischen... Ländern auch dem Baltikum unterdrückte Erinnerungen hochbrachen, die oftmals auch sehr ambivalent waren.

00:36:05: Also wenn man genau hinguckt, ist die Geschichte eben auch vielfach ambivalent.

00:36:09: Ich habe schon erwähnt, es gab Doppelrepresierte, es gab baltische oder auch ukrainische und polnische Unabhängigkeitsbewegungen, die erst von den Nationalsozialisten unterdrückt wurden und dann auch noch mal im Stalinismus.

00:36:23: Und jetzt unter dieser existenziellen Not des russischen Vernichtungskrieges, der auch ganz gezielt die ukrainische Kultur und Sprache angreift, der gezielt Gedenkorte bombardiert, Archive bombardiert, Büchereien abbrennt, Schulen zerstört, ukrainische Schüler in den besetzten Gebieten versucht zu Indoktrinären, umzuerziehen, den Familien zu entziehen, zu verschleppen, das in dieser Notlage, obwohl ja es so viel auch um den militärischen... Schutz geht, trotzdem es Archive gibt, die jetzt versuchen, ihre Bestände zu sichern, in sichere Landesteile zu bringen, zu digitalisieren, auch mit Unterstützung beispielsweise der Aarolsen-Archive aus Deutschland.

00:37:05: Das ist wirklich bemerkenswert, weil man sieht eben, es geht nicht nur um das pure Leben, sondern es geht auch einfach um eine zivilisatorische Selbstbehauptung, die eigene Sprache, Geschichte, Kultur zu bewahren.

00:37:18: Und das ist erstmal was sehr Positives.

00:37:20: Ich hatte schon die russische Geschichtspropaganda erwähnt, die eben die Nazis immer nur in der Ukraine sieht.

00:37:25: Es stimmt, es gibt natürlich auch nationalistische, chauvinistische, reaktionäre Kräfte in der Ukraine mit einem sehr verqueren Geschichtsbild.

00:37:33: Das bemerkenswerte ist aber, Putin hat er darauf gesetzt, den russischsprachigen Teil der Bevölkerung gegen den ukrainischsprachigen auszuspielen.

00:37:42: Und das gelang eben nicht.

00:37:43: Und das sehen wir auch bei unseren Partnern.

00:37:44: Also in Odessa, das ist ja eine Überwiegend.

00:37:47: Russesprachige Stadt nach wie vor, das ist jetzt im Wandel, aber eigentlich alle unsere Partner, alle älteren Menschen, überwiegend sind russesprachige Muttersprachler.

00:37:57: und das Bemerkenswerte aber ist, sie behaupten sich... Gemeinschaftlich im Verständnis der als Ukraine.

00:38:03: Und das ist wirklich interessant zu sehen, auch beispielsweise in der jüdischen Gemeinde und im überlebenden Verband in Odessa mit Roman Schwarzmann als Vorsitzender, der auch im Bundestag die Gedenkkrede zum siebenundzwanzigsten Januar hielt.

00:38:15: Ist es interessant zu sehen, dass die älteren Mitglieder eigentlich Russisch sprechen, aber die jüngeren Aktiven antworten dann auf ukrainisch.

00:38:21: Die Sprachen sind nicht soweit auseinander.

00:38:23: Wenn man möchte, kann man sich verständigen.

00:38:25: Und das passiert.

00:38:26: Und ich glaube, darin liegt die eigentliche ukrainische Selbstbehauptung jetzt nicht einen Platten Nationalismus zu verfallen, sondern zu sagen, und das sieht man ja jetzt auch bei den Antikorruptionsprotesten.

00:38:36: Gegen dieses unsägliche Gesetz aus dem Parlament, die Antikorruptionsstrukturen zu schwächen, es geht eben darum nicht nur einfach, dass die Ukraine behauptet, sondern sie behauptet sich als Demokratie und als freie Gesellschaft, in der eben auch eine andere Erinnerungskultur möglich

00:38:53: ist.

00:38:54: Der von dir bereits angesprochene Roman Schwarzmann hat ja auch im Bundestag eine Jugendbegegnung gehabt, an der ihr auch teilgenommen habt.

00:39:04: Und er hat an die Menschen appelliert, an die deutschen Jugendlichen appelliert, auch die Ukraine zu unterstützen.

00:39:13: Wie siehst

00:39:13: du die Situation in Deutschland?

00:39:17: Wie interessiert ist ... die junge Bevölkerung in Deutschland.

00:39:24: Früher hatte man so Indikatoren, wie viele Leute sich beworben haben für eure Projekte.

00:39:30: Um ins Aushand zu gehen, ist das immer noch so, kann man immer noch sagen, gut.

00:39:34: Durch den Krieg gegen die Ukraine erlebt ihr eine besonders große Nachfrage.

00:39:39: Wollen die junge Deutsche die Ukraine stärker unterstützen, als das beispielsweise vor fünf Jahren noch der Fall war?

00:39:48: Wie würdest du das beurten?

00:39:51: Ja, in den ersten Monaten, dem ersten Jahr, nach dem Vollangriff, war es ja wirklich eine breite Bälle der Solidarität.

00:39:58: Also ich bin am Tag darauf ans Brandenburger Teugel gegangen mit vielen anderen und zwar eine riesige spontane Kundgebung.

00:40:05: Hunderttausende kamen ja zusammen, ohne große Organisation, die das getragen hätte.

00:40:10: Und das fand ich damals bemerkenswert.

00:40:12: Also man sah, das fand ich schön, natürlich viele ukrainische Fahne, aber auch man sah verschiedene andere postowertische Fahnen, weil das auch Minderheiten sind die oft wenig wahrgenommen werden.

00:40:21: Rationsgruppen, die hier nicht gesehen werden aus Europa, aber die hier schon davor lange gelebt und studiert haben.

00:40:27: Man sah aber eben auch viele junge Menschen aus der Breite der Mehrheitsbevölkerung und uns hat damals auch eine ganz große Hilfsbereitschaft getragen.

00:40:36: Also Nachbarn haben spontan geholfen, Berufskollegen, es gab viele Spenden.

00:40:41: Keine Frage, das hat abgenommen, ist es aber immer noch auf einem bemerkenswert stetigem Level.

00:40:47: Also wir suchen nach wie vor Spenden.

00:40:49: Wir sind jetzt gerade dabei zwei Löschfahrzeuge für Resson.

00:40:54: Also die Grenzregion, die jetzt in Teilen geflutet ist, großen Flussnäpper.

00:40:58: Und wo gerade ältere Menschen, die jetzt auf ihren Höfen leben, vor Drohnen wirklich geschützt werden müssen.

00:41:04: Dort wollen wir zwei Rettungsfahrzeuge organisieren.

00:41:06: Dafür sammeln wir gerade Spenden.

00:41:08: Aber es gibt nach wie vor eine große Hilfsbereitschaft.

00:41:10: Und

00:41:11: ich

00:41:11: meine auch, dass junge Menschen, die sich... etwas mehr mit Putin auseinandersetzen, mit den Verhältnissen in Russland, schnell begreifen werden, dass das alles andere ist als das, was sie wollen.

00:41:25: Gleichzeitig sehe ich auch gerade in Deutschland, auch in anderen Teilen Europas, Westeuropas, schon die Tendenz auf den eigenen Vorteil zu schauen, auf den eigenen Vorgarten zu schauen.

00:41:34: Frieden oft verstanden, als ich habe hier meinen kleinen eigenen Frieden und ich will mit euch nichts zu tun haben, ich möchte dafür kein Geld ausgeben, ich möchte mich dafür nicht engagieren müssen.

00:41:44: Aber das ist natürlich ein Irglaube, weil die Konflikte liegen sehr, sehr nahe.

00:41:49: Also wir sind nach einer Tagesfahrt, sind wir an der ukrainischen Grenze.

00:41:53: Es leben hier viele Menschen aus der Ukraine und Deutschland wird auch schon angegriffen.

00:41:57: Das darf man nicht vergessen.

00:41:58: Also wir erleben schon eine Hybridekriegsführung, ob wir es wollen oder nicht.

00:42:02: Selbst die Stimmen, die sich pacifistisch verstehen, müssten als allererstes das klar sehen.

00:42:06: Also, dass es diese Angriffe gibt, dass sie eben auf ganz Europa zielen, auf die europäische Einheit.

00:42:12: auf die europäischen Demokratien, auf die offenen Gesellschaften.

00:42:16: Und dass es deswegen alle angeht.

00:42:17: Ihr habt euch jetzt fast sieben Jahrzehnte im Bereich der Versöhnungsarbeit, der Erinnerung engagiert.

00:42:24: Und auch viele Opfergruppen, die Jahrzehnten noch gar nicht so im Fokus standen, habt ihr jetzt auch stärker in eure Arbeit integriert.

00:42:33: Z.B.

00:42:34: Sinti und Roma, du hattest das schon angesprochen.

00:42:36: aber auch homosexuelle.

00:42:37: Und gleichzeitig werdet ihr aber auch in Ländern, in denen ihr arbeitet, damit konfrontiert, dass es stärker gesellschaftliche Ablehnung von diesen Gruppen von Minderheiten gibt.

00:42:51: Rechtsextremismus, Nationalismus ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern ein Riesenproblem.

00:42:57: Letztlich ja auch in Russland, was wir jetzt schon diskutiert haben.

00:43:01: Inwieweit betrifft euch das konkret, wenn beispielsweise in holen die rechtsextreme Konfiderazia in der Gruppe der achtzehn bis viervierzigjährigen Wähler sehr viel Unterstützung erhält.

00:43:14: Gerade in den Gebieten, die früher zum Deutschland gehörten.

00:43:19: Inwieweit ist das für die Versöhnungsarbeit heute ein Manko?

00:43:23: Also vielleicht vorausgeschickt.

00:43:25: Axiosinezeichen hat immer schon im Selbstverständnis klar gehabt, wir setzen uns für alle Gruppen der NS-Verfolgten ein.

00:43:34: Auch wenn es erst schrittweise passierte.

00:43:36: Der zweite Ausgangspunkt ist immer erst mal die Selbstreflektion.

00:43:39: Also erst mal nicht auf den eigenen Bauchnabel zu schauen, sondern auf die eigene Gesellschaft zu schauen und zu fragen, warum wird so wenig an die NS-Verbrechener erinnert?

00:43:50: Warum haben NS-Verfolgte so wenig eine Stimme?

00:43:53: Und da nochmal, warum haben bestimmte Gruppen, Homosexuelle, sogenannte Asoziale, ärmere Verfolgte, Menschen mit Behinderung?

00:44:03: Warum haben die noch weniger öffentliche Aufmerksamkeit?

00:44:06: Das war der Ausgangspunkt.

00:44:07: Und das gilt auch für den Nationalismus.

00:44:09: Also, Süddezeichen hat erst mal sich mit dem deutschen Nationalismus auch relativ schnell wieder mit der NPD dann auch doch relativ bemerkenswerte Erfolge, auch teils in den Parlamenten gehabt, zumindest um die fünf Prozent.

00:44:22: Und das war immer der Ausgangspunkt.

00:44:24: Nichtsdestotrotz gibt es natürlich... Wenn man sich aus der Beschäftigung mit diesen NS-Verbrechen heraus, für Menschenrechte einsetzt, für Diversität, für Erinnerung, kommt man auch in den Ländern, in den Partnerländern natürlich dahin, dass es auch dort Rassismus gibt, Vorurteile, Nationalismus etc.

00:44:43: Und ganz wichtig bei diesem Freiburgendienst ist eben nicht nur das Tun für die Verfolgten, sondern auch... die internationale Lernerfahrung, in dem ich nicht nur für zwei Wochen mal ins Ausland gehe zum Urlaub, sondern dass ich dort ein Jahr lang wirklich als junger Mensch lebe und arbeite bei einem festen Partner, mit einer festen freiwilligen Stelle, mit Aufgaben, also auch am Arbeitsalltag teilnehme.

00:45:06: Einblicke bekomme in soziale Projekte, in Gedenkorte, aber eben auch in dem sonstigen Alltag, in der öffentlichen Diskussion dieser Gesellschaft.

00:45:14: Es wird auch mal begleitet mit Seminaren, wo man also dann auch wirklich Gesprächspartner trifft, mit sich dann eben auch auseinandersetzt zu aktuellen politischen Themen, wo man auf ihre Frage zurückzukommen, wo eben dann auch

00:45:25: natürlich

00:45:27: Polnisch- und Nationalismus, Amerikanische Nationalismus eine Rolle spielt und auch durchaus die kritische Auseinandersetzung.

00:45:33: Wichtig ist für uns immer nur, dass es nicht zu einem Fingerzeigen kommt, um eigene Probleme wegzuprohizieren.

00:45:39: Das ist ja oft so.

00:45:41: Ja, in Polen gibt es ja auch so viel Antisemitismus.

00:45:44: Nicht falsch, aber Vorsicht, denn zum einen gibt es natürlich auch in Deutschland Antisemitismus und zum zweiten gibt es die schwersten NS-Verbrechen gegen Polen, die eben oft in Deutschland auch vergessen werden.

00:45:57: So dass dieser Blick ins Ausland eigentlich immer ein Suchender ist, der Partner fragt, die sich selbst kritisch auseinandersetzen mit dem Problem in ihrer Geschichte.

00:46:07: Das ist immer der Ausgangspunkt.

00:46:09: Und das ist, glaube ich, oft das Problem, dass, wenn es um Antisemitismus, um Nationalismus in anderen Ländern geht, es oft zu so einem Fingerzeichen kommt.

00:46:17: Und das ist auch was in der Auseinandersetzung mit der PiS, die eine sehr problematische Rolle in der polnischen Öffentlichkeit gespielt hat.

00:46:24: Das ist, glaube ich, ohne Frage so.

00:46:26: Aber im deutsch-polnischen Behältnis schwierig war und ja eben auch perfekt instrumentalisiert werden konnte.

00:46:31: weil so viel Unwissen über polnische Geschichte besteht, weil nach wie vor trotz all der großen Erfolge im deutsch-polnischen Dialog viele Versöhnungsschritte und Anerkennungsschritte noch nicht gegangen wurden, weil Menschen nicht den Unterschied kennen zwischen dem Ghetto-Aufstand, dem Warschauer-Aufstand und und und.

00:46:47: All diese nicht aufgearbeitete Vergangenheit führt auch dazu, dass wir in der Gegenwart im deutsch-polnischen Verhältnisse diese Unwucht haben, die dann eben Nationalisten instrumentalisieren

00:46:58: können.

00:46:59: Vielen Dank.

00:47:00: Ihr wurdet fünftig gegründet, dreizehn Jahre nach dem Ende der schrecklichen Hitler-Diktatur und des Zweiten Weltkrieges.

00:47:07: In diesem Jahr haben wir achtzig Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs und der Hitler-Diktatur und der Strophe des Holocaust gedacht.

00:47:16: Und von daher die letzte Frage.

00:47:21: Wir sind ja jetzt in einer aktuellen Kriegs-Situation.

00:47:24: Deshalb war dieses Gedenken an das Kriegsende sehr stark überschattet.

00:47:29: Trotzdem, an dich die Frage gerichtet, würdest du sagen, achtzig Jahre nach Kriegsende Deutschland ist, was diese selbstgestellte Aufgabe des Erinnerns, der Versöhnungsarbeit.

00:47:44: An geht auch durch eure Arbeit ein ganzes gutes Stück vorangekommen und hat dort eine gute Arbeit geleistet.

00:47:54: Oder wie würdest du eure Arbeit und auch die Arbeit in Deutschland insgesamt, auch der Gesellschaft und der Politik insgesamt, wie würdest du das, achtzig Jahre nach Kriegsende und Holocaust?

00:48:05: auf den Punkt bringen.

00:48:06: Ich würde es vielleicht eher so auf den Punkt bringen.

00:48:09: In Deutschland haben sich verschiedene Initiativen durchaus mit Erfolg, um ein kritisches Erinnern bemüht.

00:48:15: Aus kleinsten Geschichtswerkstätten wurden anerkannte Gedenkstätten.

00:48:20: Reiblingendienste heute sind selbstverständlich, werden unterstützt, werden auch staatlich gefördert, vom Bund, von der Europäischen Union, das ist wichtig.

00:48:30: Und dennoch, wenn wir jetzt auf die Erfolge von rechtsextremen Parteien schauen, wenn wir auf die Polarisierung nationalistischer Stimmen schauen, in Deutschland aber auch in Partnerländern, stehen wir nach wie vor vor Herausforderungen und in Sachen Krieg und Frieden.

00:48:46: Wir haben Krieg in Israel, wir haben Krieg in der Ukraine, wir haben beispielsweise in den USA eine

00:48:53: hochproblematische

00:48:55: Visapolitik, die uns natürlich sorgen macht.

00:48:58: sodass die Herausforderungen

00:48:59: bleiben.

00:49:00: Vielen Dank für dieses sehr nachdenkliche Schlusswort und viel Erfolg für eure weitere Arbeit, dass ihr auch euer siebzigjähriges Jubiläum in drei Jahren erfolgreich feiern könnt.

00:49:13: Vielen Dank.