00:00:02: Menschenrechte nachgefragt.
00:00:04: Der Interview-Podcast der politischen Meinung und der Konrad-Adenauer-Stiftung.
00:00:10: Heute mit...
00:00:11: Guten Tag, ich bin Marco Matrin, lebe als Schriftsteller in Berlin.
00:00:15: Bin in den Sechsen in Sachsen gebohnt
00:00:18: und
00:00:19: habe im Mai nur so neun achtzig als Kriegsdienst total verweigert, die DDR verlassen.
00:00:25: Und ja, ich bin Schriftsteller und... Wenn ich nicht auf Reisen bin, sitze ich am Schreibtisch in Berlin und schreibe meine Bücher und Artikel und Texte.
00:00:37: Lieber Marco, herzlich willkommen im Podcast Menschenrechte nachgefragt, der politischen Meinung und der Konrad-Adenauer-Stiftung.
00:00:44: Danke für die Einladung.
00:00:46: Morgen bekommst du in Frankfurt am Main einen schönen Preisverlin, wie du mir heute per E-Mail mitgeteilt hast.
00:00:53: Ich zitiere mal von der Homepage zu diesem Preis.
00:00:57: Das Pen-Centrum deutschsprachiger Autoren im Ausland errt den Schriftsteller Marco Martin mit dem Ovid-Preis.
00:01:06: Mit Marco Martin zeichnet die Jury des Ovid-Preises einen Schriftsteller aus, der Fakten und Tatsachen benennt, die wesentlich sind, um zu begreifen, was geschehen ist, was gegenwärtig passiert und was in der Zukunft zu erwarten
00:01:23: ist.
00:01:25: Uvid, nachdem der Preis benannt ist, ist ja bis heute ein von vielen Lateinschülern sehr geliebter Auto.
00:01:32: Nicht nur aufgrund der Liebeskunst, sondern auch aufgrund der Metamorphosen.
00:01:36: Gibt es Verwandlungen, die für dich und dein literarisches Schaffen relevant sind oder waren?
00:01:44: Ja, würde ich jetzt mal ganz froh gemut antworten.
00:01:47: Die Entdeckung, dass die Liebeskunst nicht nur ... in Deutschland praktiziert werden kann, sondern rund um die Welt.
00:01:56: Das als eine der Verwandlungen, die mir auch deshalb so lieb und teuer sind, weil es im Unterschied zu den Medemaphosen keine Verwandlungen sind, wo irgendein Gott oder eine Göttin in Willkürlaune jemanden in ein Tier verwandelt hat oder in einem Stein oder in was auch immer.
00:02:18: Es sind selbstbestimmte Verwandlungen.
00:02:21: und dann auf andere Verwandlungskünstler zu treffen, ist natürlich auch Teil meines literarischen Werts.
00:02:28: Ich bin ja jetzt nicht hauptberuflich ein Mahn-und-Warner.
00:02:32: Nach diesem literarischen Einstieg möchte ich mit dir eine kleine literarische Zeitreise machen zurück in das Jahr, also nicht in der Uwiz-Zeit, aber trotzdem mehr als zwei Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückreisen.
00:02:44: In der literarischen Welt hast du damals unter der Überschrift Du bist also der Marco aus der DDR, einen schönen Text veröffentlicht, in dem du dich an dein Nachwende-Reisetagebuch erinnerst, das neunzehntneunzig von dir verfasst wurde, dann aber fünfzehn Jahre liegen gelassen worden war.
00:03:01: Anlässlich der damaligen Veröffentlichung schreibst du einen sehr schönen Satz, den ich einmal zitieren möchte.
00:03:06: Der Sommer neutert neunzig war endgültig vergangen, vergessene Manuskriptseiten irgendwo in einer Plastikkülle, nichtsdestotrotz mit anderem Papier bei allen Wohnungswechseln mitgeschleppt und das Entscheidende immer ganz nah bei sich.
00:03:21: Eine spezielle Gestimmtheit, die ihm bei genauem Nachdenken eigentlich bis heute begleitet.
00:03:27: Primat der Freiheit, Neugier und ein wie selbstverständlich angenommenes Recht auf Glück.
00:03:34: Die Schönheit abfahrender Züge oder startener Flugzeuge, das nicht enden, wollende Kribbeln als reisener, als fremder, in neue Wirklichkeiten einzutauchen, ins Sonnenlicht zu blinzeln, aus der Hosentasche das Notizheft hervorzuziehen, leben und schreiben, das eine die Potenzierung des anderen.
00:03:54: Das ist nicht nur wunderschön geschrieben, sondern du hast hier auch Zwei ganz große Themen nebeneinander gestellt.
00:04:01: Nämlich das Primat der Freiheit und das Recht auf Glück.
00:04:05: Für viele Menschen bedeuten die Ereignisse der Jahre, in den vergangenen Jahren.
00:04:10: Das Glück, endlich frei zu sein.
00:04:12: Der fünfundreißigste Jahrestag der Deutschen Einheit ist gerade vorbei.
00:04:16: Bald, am neunten November, fallen wir schon den sechsen dreißigsten Jahrestag des Mauerfalls.
00:04:21: Wie empfindest du heute diese emotionale Verbindung von Freiheit und Glück?
00:04:26: hat sich etwas in Deutschland in den langen dreieinhalb Jahrzehnten verändert.
00:04:31: Das ist natürlich eine hochkomplexe und interessante Frage.
00:04:34: Die lässt sich jetzt nicht apodiktlich mit einem Satz beantworten.
00:04:38: Das hängt natürlich ab von der Gestimmtheit eines Einzelnen, von den Erfahrungen, die ihnen geprägt haben.
00:04:44: Viele Menschen haben den Mauerfall als Glück erfahren, als die Chance ein anderes Leben oder vielleicht andere Leben im Plural.
00:04:54: ausprobieren zu können, bei nicht zu knapp anderen Menschen war es eine Irritation ins offene Geworfen zu werden.
00:05:01: Und oftmals werden dann Erklärungsmuste herbeigebracht, dass man sagt, die mussten sich wirtschaftlich, sozial ganz neu erfinden, eine Erfahrung, die die Westdeutschen nie haben machen müssen in dieser Härte.
00:05:12: Das stimmt, ich glaube auch, dass das nicht genug geschätzt wird.
00:05:16: Wie viele Ostdeutsche dann Einfach am Punkt, nicht am Punkt Null, aber wieder ganz neu anfangen muss in ein ganz anderes System, kam aber, ich glaube, das Fremdeln mit der Freiheit, was heute noch zu beobachten ist, oder vielleicht sogar stärker zu beobachten ist als in den letzten Jahren, lässt sich nicht allein auf diese von vielen im Übrigen auch ganz toll gemeisterten.
00:05:38: Umbrucherfahrungen, Herausforderungen reduzieren.
00:05:41: Die sind ja nicht in ein schwarzes Loch gefahren, sondern wurden vom Bundesdeutschen Sozialstaat sehr gut aufgefädelt, bis sie dann selbst auch mit großem Geschick und mit Improvisationstalent sich ihre eigene Biografie wieder aufgebaut haben oder etwas Zusätzliches zu dem, was sie hatten, sich aufgebaut haben.
00:05:59: Und trotzdem, das ist das Interessante, trotzdem mit dem Wert der Freiheit fremdeln, obwohl sie tagtäglich davon profitieren.
00:06:07: Das ist doch schon merkwürdig.
00:06:09: Und ich würde, während ich jetzt Ihre Frage oder eine Frage beantwortet habe, das gar nicht nur auf den Osten lokalisieren, sondern dieses Fremdeln mit der Freiheit, während man sie in Anspruch nimmt, als Selbstverständlichkeit, ist ein Phänomen, was Gesamtdeutsch ist und was uns natürlich jetzt in Gesamtwesteuropa und auch in Teilen Osteuropas begleitet und wovon natürlich die Populisten rechts und links profitieren.
00:06:34: Das Buch, das du mir gerade verraten ist, von einem Monat wieder veröffentlicht wurde und musste dafür abfotografieren.
00:06:41: Ja,
00:06:42: abfotografiert werden, das ist ja auch interessant.
00:06:44: Und ein weiterer Lektüre-Tipp.
00:06:46: Heute steht ein bisschen im Mittelpunkt aber dein aktuelles Buch Freiheitsaufgaben, was du in der vergangenen Woche auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt hattest.
00:06:55: Und zwar bei einer Veranstaltung des Penn.
00:06:56: In diesem jüngsten Buch Freiheitsaufgaben beschreibst du die militarisierte DDR in der preußischer, brauner und hohe sowjetischer.
00:07:08: Die Formulierung ist interessant, weil du ja selbst schon vorgestellt hast als Totalverweigerer.
00:07:14: Wie viel von diesem jungen, wilden, freiheitsliebenden, neunzehnjährigen Verdienst total verweigerer vom Sommer, neunachtzig, steckt noch in diesen aktuellen Zeilen deines neuen Buches?
00:07:24: Ja, ich glaube, da steckt noch eine ganze Menge drin.
00:07:27: Man sollte schon versuchen, dem Best... was einen in der Jugend geprägt hat, treu zu bleiben, weil es sich einfach auch nicht auf eine Generation reduzieren lässt.
00:07:37: Und da würde ich einfach sagen, Freiheit, Daseinsdankbarkeit und die Verantwortung darüber auch zu berichten und das auch zu verbalisieren.
00:07:46: Und wir haben natürlich in Ostdeutschland heute eine fast schon flächendeckende Mentalität, die bei Weichzeichnung der DDR sich positiv auf dem Unterordnungscharakter dieses Staates bezieht und dann, was kein Zufall ist, die gleiche weichzeichner Perspektive einnimmt in Richtung des Agrasostates Russlands.
00:08:13: Das gehört dazu.
00:08:15: Das sind die Wähler der Linken, das sind natürlich die Wähler der AfD.
00:08:19: Aber ich würde sagen, auch die demokratischen Parteien sind von solchen Fehleinschätzungen, was jetzt die Wählerschaft betrifft, aber was auch vielleicht jetzt eine einzelne Lokalpolitiker betrifft, nicht gefeint.
00:08:31: Deine Familie durfte im Mai, neun achtzig, legal aus der DDR ausreisen.
00:08:38: In Westdeutschland haben wir das damals, diese Ausreisewelle, als Abstimmung mit den Füßen.
00:08:46: Was waren für dich und deine Familie die Gründe hinter eurer Ausreise?
00:08:50: Und wie bewusst war für dich als Kriegstingsverweigerer, dem der SED-Staat die Bildungschancen auf das Abitur verweigerte?
00:08:58: Ein dauerhafter Abschied unter DDR.
00:09:01: Wie bewusst war dir das?
00:09:03: Mir war es eigentlich schon mit, sagen wir mal, vierzehn, fünfzehn, bewusst, dass ich in diesem Staat nicht leben will.
00:09:09: Es gibt ja Leute, die sind im falschen Körper aufgewachsen.
00:09:11: Ich bin im falschen Land aufgewachsen.
00:09:13: Ich dachte, nicht im Land, sondern im falschen Staat.
00:09:16: Ich dachte, ich möchte da nicht sein.
00:09:17: Als ich nach der Zehntenklasse die Nachricht bekam, dass ich aufgrund meiner Nichtmitgliedschaft in dieser staatlichen Jugendorganisation FDJ keine weiterführende schuldliche Ausbildung machen darf, das heißt, kein Abitur.
00:09:29: Als ich als Lehrsteller rausgeschmissen wurde, weil ich den damals für alle Lehrlinge obligatorischen, froh-militärischen Ausbildungsdienst verweigert habe, Straßenkehre waren, was sich dann vorgeladen wurde bei den Ämtern, bei Abteilung Inneres und Stadt-Sicherheit.
00:09:44: Da hat sich das noch mal konturiiert, dass ich dachte, ich möchte da nicht da sein.
00:09:48: Für meine Eltern war es natürlich auch eine Entscheidung, weil Vater war Kriegsdienstverweigerer, hat zwei Jahre seines Lebens im Gefängnis hinzugebracht, knapp zwei Jahre.
00:09:55: Es ist wenige Wochen nach meiner Reboot abgeholt worden, und hat dann als kleiner Handwerker weitergearbeitet und war natürlich als Kriegsdienstverweigerer, der jetzt auch nicht in diesen staatlichen Organisationen wie der Handwerkerkammer integriert war, natürlich dann auch ein Objekt der Beobachtung der Staatssicherheit, das wir damals noch nicht wussten, aber an konnten.
00:10:16: Und für meinen Vater war es klar, dass wieder er, noch meine Mutter, noch wir, die Kinder, ich und zehn Jahre jüngere Schwester in solchen Situationen oder in solchen Zuständen in so einer Atmosphäre freiwillig länger leben wollten.
00:10:30: Und dann war die Entscheidung relativ klar, natürlich wir stellen den Ausreißantrag.
00:10:34: Du bist jetzt ja nicht jemand, der nur die deutsche oder deutsch-deutsche Nabelschraube treibt, sondern du bist jemand, der in viele Länder reist, unter anderem auch Hongkong und hast da ein Reisetagebuch, kann man schon sagen, veröffentlicht, die letzten Tage von Hongkong.
00:10:48: Und über dieses Buch hat der am dreizehnten April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April sich zitiere, durch seine Augen werden die Dissidenten in Hongkong als Menschen erkennbar, Menschen mit einer ungewissen Zukunft.
00:11:07: Wie sehr fasziniert dich als Autor, wie sehr identifizierst du dich mit diesen Menschen, die wieder den Stachel lücken, mal als Ketzer, mal als Dissidenten?
00:11:18: Ja, Identifizierung ist ein großes Wort, was ich eher vermeiden würde.
00:11:23: weil da auch die Projektion noch die Anmarsung nicht weit weg ist, sondern es ist der Wunsch oder die Herausforderung von den Biografien dieser Menschen zu erzählen.
00:11:33: Wir haben ja oft auch, und das übrigens auch nicht nur im Linken, sondern auch im konservativen Bereich, die Fehleinschätzung, dass man sagt, Menschenrechte ist entweder etwas Unwesentliches, weil dahinter ist sowieso was ganz anderes.
00:11:47: die großen, die Industrien, die Macht, das Geld, was auch immer.
00:11:50: Oder man sagt ja, die Menschenrechte existieren, aber wer sie so wirklich schätzen kann, das sind doch wir Europäer, die die Aufklärung erfunden haben, während die Asiatten doch eigentlich zufrieden sind, wenn die Reisschüssel gefüllt ist.
00:12:03: Es gibt auch diesen Kulturalismus, ich denke auch den Bücher bei Peter Schollertour.
00:12:07: Kulturalismus, der mir immer irgendwie unangenehm aufgeschlossen ist.
00:12:10: Und dann reist man durch diese Länder und man sieht, wenn die Menschen die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden, dann entscheiden sie sich natürlich für eine freie Gesellschaft.
00:12:18: Und in Hongkong gab es diese Möglichkeit, wie limitiert, auch immer, in Zeiten der britischen Kronkolonie, dann in Zeiten des Hand-Over-Nachnacht-Nurte-Ziebundneunzig, natürlich limitiert, aber von einer selbstbewussten Stadtbevölkerung immer weiter ausgeweitet.
00:12:33: Und dann wurde die Schlinge zugezogen und Becking hielt sich nicht an den Vertrag, der mit Großbritannien ausgehandelt worden war.
00:12:39: Und es gab eben nicht mehr ein Land, zwei Systeme, sondern... Nur nach ein Land.
00:12:46: und an dieser Kippposition habe ich Hongkong, der ich Hongkong über die Jahre hinweg mehrfach besucht habe.
00:12:52: An dieser Kippposition habe ich dann
00:12:54: Hongkong
00:12:55: das letzte Mal besucht.
00:12:57: Jahreswechsel, zeugtausend neunzig, zeugtausend zwanzig.
00:12:59: Ich war mit meinem Lebenspartner da und wir sind Zeugen geworden unter anderem.
00:13:03: der letzten freien Demonstrationen in Hongkong und trafen dann auch den einen der charismatischen Studentenaktivisten Joshua Worm und wir unterhielten uns mit ihm.
00:13:12: und er sagte, dass er kurz zuvor in Berlin gewesen war, dass ihm die Stadt fasziniert hat.
00:13:17: und er sagt, wenn es Berlin geschafft, dass die Mauer fällt, dann haben auch wir eine Chance.
00:13:22: Er sagt nun gut, jetzt sind wir Freundstadt.
00:13:25: Er benutzt diesen Wort Freundstadt, wo ich glaube heute noch bei blinken Friedensaktivisten alle Alarmlampen hochgehen.
00:13:32: und er benutzte selbstlos das Wort Frontstadt.
00:13:35: und er sagte, wenn Hongkong fällt, wird es in Zukunft auch schwierig für Taiwan.
00:13:40: Genau das haben wir, was er natürlich nicht voraussehen konnte, war... dass sich Putin auch sehr genau anschaut, wie rücken autoritäre Systeme vor.
00:13:49: Und während wir jetzt sprechen, in dem Moment sitzt Joshua Wong weiterhin in einem Gefängnis.
00:13:54: Und Hong Kong ist nicht mehr die rechtsstaatlich geprägte Insel innerhalb dieses riesigen chinesischen Reichs, sondern ist eine Provinz, wo die gleiche Willkür herrscht.
00:14:04: Das sind Sachen, die mich natürlich immer begleiten.
00:14:06: Du beschreibst in deiner Arbeit auch das deutsche Protestverhalten, Dissidententum und vergleichst es auch mit den Verhältnissen anderen Ländern.
00:14:16: Was sehr spannend ist, weil man das aus Westdeutscher Perspektive vielleicht sogar näher erleben durfte, ist aus Ostdeutscher Perspektive in den Achtziger Jahren, dass ja die Freiheitsbewegung in Polen mit der Gründung der Solidarnosch-Bewerkschaft millionenfach unterstützt wurde, die... ganzen Achtziger Jahre durch, trotz Verbot der Solidarnosch.
00:14:38: In Deutschland waren es sehr kleine, oftmals kirchtlich organisierte Gruppen.
00:14:44: Welche Bedeutung hat als deiner Perspektive die Kirche als Schutzraum, sowohl die katholische Kirche in Polen mit dieser Massenbewegung, Aufstandsbewegung, gegen die kommunistische Diktatur und die marginalisierte evangelische Kirche beispielsweise in der DDR, deren Mitgliedern drangsaliert wurden?
00:15:05: Wieder eine hochinteressante Frage, wieder hochkomplex.
00:15:08: Es steht natürlich außer Frage, dass die katholische Kirche in Polen die spirituelle Grundierung gegeben hat, was es auch vielen Menschen ermöglicht hat.
00:15:17: Das Papstwort von Habt keine Angst.
00:15:20: Ganz konkret anzunehmen im ganz konkreten Widerstand gegen das kommunistische System.
00:15:26: Das war enorm wichtig für viele Liberale.
00:15:30: Polen ist es natürlich aber auch zweischneidig, weil die katholische Kirche, die so viel beigetragen hat, zum Ende des kommunistischen Systems nach dem Ende dieses Regimes weiterhin dachte, sie könnte auch das Leben der Menschen in einer freiheitlichen Zivilbegesellschaft mitbestimmen, was nicht deren Aufgabe ist.
00:15:51: Das ist das zu Polen.
00:15:52: Zur DDR, die evangelische Kirche, natürlich ein Schutzraum für viele, die in der Kirche Zuflucht gesucht haben.
00:16:00: Aber auch das sollte man nicht verkitschen.
00:16:03: Hauptsache im Westen.
00:16:04: dann gehypte Kirchenleute wie Magarius oder Bichoforg waren eigentlich, wenn man mit den Oppositionellen von damals spricht, in der Erinnerung, das waren eigentlich ihr Premser.
00:16:18: Sie hatten Angst.
00:16:19: Und die Stabilität, sie waren eher diejenigen, die gesagt haben, also jetzt mal langsam, es waren nicht unbedingt die Leute, die Menschen ermutigt haben.
00:16:28: Das waren dann eher unbekannte Facher und Geistliche in der Provinz, die jungen Kriegsdienstverweigerern beigestanden haben, die ihren Fahrgarten geöffnet haben für Lesungen etc.
00:16:37: Und in der Bundesrepublik war es natürlich so, dass eine zum großen Teil auf einen Diffusenfriedensbegriff gepurlte, evangelische Kirche mit Ausnahmen.
00:16:48: mit Ausnahmen, die auch nicht zu gering veranschlagen sind, aber was in Mainstream betrifft, solidarisch fernwarnend.
00:16:54: In diesen ganzen Kirchen-Tagsmilieu-Westdeutschlands hatte die Osteuropäische und auch die DDR-Opositionsbewegung keine Heimstadt.
00:17:05: Das ist die Tatsache.
00:17:07: und was Politiker damals sagten, war auch keine Petite.
00:17:09: Egon Barr erklärte, Solidarisch als zu Gefahr für den Weltfrieden.
00:17:13: Man muss sich das mal vorstellen.
00:17:15: Solidarisch als Gefahr für den Weltfrieden.
00:17:17: Bundeskanzler Schmidt sagte damals, als dann das Kriegsrecht ausgerufen wurde, er bedauere, dass dies nur nötig geworden war.
00:17:23: Stabilitätsfanatiker, die die Freiheit unterschätzten und gleichzeitig den Menschen in Osteuropa dann vorgaben, wie sie sich zu verhalten hätten.
00:17:32: Und ich erwähne das auch deshalb.
00:17:34: Und ich erwähne, es ist wirklich mit Zorn, weil diese Arroganz gegenüber Osteuropa hat sich ja natürlich dann... fortgesetzt, bis in unsere Zeit, bis zu Nordstream.
00:17:45: Eine Tradition des arroganten Schvatronierens, das abstrahiert von den lebenswärtlichen Forderungen auch von der Freiheitssehnsucht der Menschen
00:17:56: aus Europa.
00:17:57: Glaubst du aber, dass es nicht vielleicht ein bisschen ungerecht ist, wenn man sagt, die meisten haben eben nicht in Ostberlin, Leipzig und anderen Städten Von Anfang an mutig gegen die Regierung, demonstriert, sondern sich eher hinter den Gardinen versteckt gehalten und beobachtet, wie sich die Dinge entwickeln.
00:18:22: Ich war in Ostern sieben Achtzig in der DDR und ich habe sehr viele Gespräche damals geführt, auch mit Bausoldaten, mit FTJ-Leuten und mit ganz normalen Fußballfans und so weiter.
00:18:32: Und ich habe immer den Eindruck gehabt, die Leute sind sehr, sehr offen, mir als Westdeutschen gegenüber und sagen ganz... Bei heraus, das sieht das Regime.
00:18:42: Ablehen, die Lügen durchschauen.
00:18:44: Deshalb, ich finde es sehr schwierig, das zu quantifizieren, wie viele Menschen haben eigentlich in ihren sozialen Möglichkeiten, ihren Aktivitätsräumen tatsächlich sowas wie Courage und zivilen Mut gezeigt.
00:19:00: Das sind ja nicht nur die Straßenproteste, die ausdrucktessen sind, sondern auch die Dinge im Kleinen, die im Kleinen statt von innen vertrauenlichen Gespräch und so weiter und bis hin zur Unterstützung eines Versuch oder das Geheimhaltens.
00:19:13: Wir wissen ja von der Stasi, dass die das gesamte Umfeld immer durchleuchtet.
00:19:17: haben, um zu wissen, wer wusste Bescheid von dem Flüchtlingen?
00:19:21: Wie würdest du das jetzt nach fünf, dreißig Jahren bewerten?
00:19:23: Würdest du sagen, gut, es ist zu hart, wenn man sagt, okay, die Mehrheit war doch sehr, sehr zurückhaltend und weniger mutig.
00:19:32: Wir haben sogar eine Million in offizieller Stahlseitarbeiter gehabt.
00:19:36: Also viele waren auch einverstanden mit dem Leben eigentlich und wollten weder ausreisen, noch fliehen, noch übermäßig kritisieren.
00:19:44: Würdest du sagen nach fünf, dreißig Jahren, das ist Ist die Bilanz, das muss man auch heute noch so sagen?
00:19:49: Oder wie würdest du das heute
00:19:51: selber sehen?
00:19:52: Gut, man muss sagen, eine Million Stasi-Mitarbeiter waren es nicht.
00:19:55: Inoffizielle Mitarbeiter?
00:19:56: Inoffiziell waren es zwei Hunderttausend, wenn nicht richtig.
00:20:00: Und die offiziellen Hunderttausend.
00:20:02: Was bei einer Zahl von sechszehn Millionen oder siebzehn Millionen immerhin eine beträchtliche Größe ist, hinzukommen nach die drei Millionen SED-Mitgliede und die Mitglieder der Blockparteien, die ja auch jetzt... jetzt nicht in Gänze irgendwie klandestineoppositionell gewesen sind.
00:20:18: Ich glaube, moralisches Noten geben im Nachhinein verbietet sich.
00:20:23: Aber in Rekurs auf die Zahl, das kann man schon mal tun.
00:20:27: Die Hunderttausende, die in der DDR auf der Straße waren und die mit geholfen haben, als ein wichtiger Akteur, also unter vielen anderen wichtigen Akteuren, dass die Mauer gefallen ist, dass es auch friedlich verlief.
00:20:41: Hunderttausende hört sich viel an.
00:20:44: Aber noch einmal bei einer Bevölkerung von sechzehn-sebzehn Millionen ist das so viel nicht.
00:20:50: Allein die Vattelmärsche, die noch am siebten Oktober stattgefunden haben in Berlin, hatten mehr Teilnehmer als die bisher zu dieser Zeit, am siebten Oktober stattfinden, Protestdemonstration in der DDR.
00:21:05: Darauf hinzuweisen ist wichtig, weil Es bewahrt uns auch vor Enttäuschung, dass man sagt, ja, das Revolutionsvolk, wo ist es denn?
00:21:14: Nein, es war kein Revolutionsvolk.
00:21:17: Das ist jetzt erst mal ein Fakt.
00:21:18: Ich will das auch jetzt gar nicht moralisch bewerten.
00:21:21: Aber aus der Anerkennung dieses Faktes, das Abwarten hinter den Gardinen, das aus welchen Gründen auch immer passiv bleiben.
00:21:32: sei es aus Angst, sei es aus einem rational sehr wohl begründbaren Wunsch, die Familie zu schützen, hat natürlich dann auch, sozusagen mentale Nachfolger, eine Passivität, die geblieben ist, nach dem Motto erst mal schauen, von dem da oben etwas zu erwarten, was natürlich in einer Demokratie, ja, also kontraproduktiv ist, weil die da oben sind da oben, weil wir sie für vier Jahre da hinwählen.
00:22:03: Also wir sind Partizipierende und können das auch und sollen das auch.
00:22:09: Und diese Passivität, die dann oft auch ins Krummel geht, ins Schimpfen, in verbale Widerstandstravestien.
00:22:18: Da sagt man, man sollte mich doch mal entscheiden lassen, etc.
00:22:21: Also all das kann eine Demokratie auch unterminieren.
00:22:26: Darauf hinzuweisen, dass die Verhaltensweisen des gestern mit den Verhaltensweisen des heute verknüpft sind.
00:22:33: Das halte ich für ganz wichtig.
00:22:34: Man hat es ja auch oft bei Kommentatoren auch im Westen, dass sie vor jedem, was sie als neues Phänomen wahrnehmen, dastehen, wie Salopp gesagt hat, die Kuh vom offenen To, sondern sagt, hätten wir nicht gedacht.
00:22:46: Ja, aber man hat es deshalb nicht gedacht, weil man mit Nietzsche gesprochen hat.
00:22:51: Zum Gegenwachs, was Idioten geworden ist.
00:22:53: Also das nur das, was heute passiert, ist das Wichtigste, das Relevante und das früher Schnee von gestern, Kater, Kaffee, gelesene Messen etc.
00:23:03: Der Flossen sind ja viele, aber gestern und heute gehört zusammen.
00:23:07: Und als einem meiner Aufgaben, als Publizist als Schriftstelle, sehe ich diese Verknüpfungen zu skizzieren.
00:23:16: Nicht im Sinne von große Linien ziehen.
00:23:19: sondern Verknüpfungen Zickzacklinien zu skizzieren, die dann natürlich dann auch immer beim Skizzieren das Gegenläufige offenbar machen, dass Menschen rauskommen aus einem Kokon im Laufe der Jahre.
00:23:32: Aber ich bestehe wirklich darauf, dass wir eben das, was wir heute erleben, nicht nur mit heutigen Erklären können.
00:23:41: Nicht nur in der Konrad-Anochschriftung, sondern insgesamt in Deutschland haben wir unglaublich viel daran gearbeitet, die Erinnerung an das SED-Unrecht zu pflegen.
00:23:52: Wirklich viele Veranstaltungen, Erinnerungsstätten und so weiter, Publikation ohne Zahl.
00:23:57: Deine Familie hatte oder war Zeugen Jehovas?
00:24:01: Und auch in diesem Jahr sprechen wir darüber, dass die Zeugen Jehovas jetzt nach über achtzig Jahren ein Mahnmal in Berlin erhalten sollen, weil sie auch durch die Nationalsozialisten in vielen Tausenden Fällen verhaftet und zu Drohlen gequält wurden.
00:24:14: Was sagt das aus deiner Perspektive über unsere Erinnerungskultur in Deutschland aus, dass diese Opfergruppe, die jetzt nicht... klein war, trotz des unermesslichen Leides, dass sie erlitten hat, erst jetzt durch einen Mahnmal gewürdigt wird.
00:24:31: Das hat natürlich auch sehr viel mit den Menschenbilderzeugen, die Hofhaus zu tun, dass in sich eingekapselt ist.
00:24:37: Das war auch der Grund, weshalb meine Eltern und weshalb ich in der achtziger Jahre die Sektion verlassen haben bei mir ohne größere Dramatik.
00:24:45: Ich war ja auch nicht mal getauft.
00:24:47: Aber es ist natürlich ein Menschenbild, das davon ausgeht.
00:24:50: dass es die Zeugen Jehovas gibt, die errettet werden im großen Weltuntergangsgericht von Hammer Getun und an die sogenannten Weltmenschen, die, wenn sie nicht zu den Zeugen Jehovas gehen, von Gott vernichtet werden.
00:25:02: Das ist natürlich völlig irre.
00:25:04: Das bedeutet aber nicht, dass die Zeugen Jehovas damals im Dritten Reich als Kriegsdienstverweigerer und dann auch unter den Kommunisten ungeheuer gelitten haben und nicht ungeheuren Mut bewiesen hätten.
00:25:15: Ich
00:25:15: hatte noch wirklich ... Das Glück, einen dieser älteren, man sagte damals Mitbrüder, kennenzulernen in dieser sächsischen Kleinstadt in Liber-Oberfrohner, die hat das KZ Buchenwald überlebt und kam dann unter Ulbricht noch mal ins Gefängnis, weil er wieder den Kriegsdienst verweigert hat als Gewissensgründung.
00:25:31: Und er war schon ein alter Mann und erzählte immer wieder, was er dann, als er Anfang der fünftiger Jahre verhaftet wurde, getan hat.
00:25:41: Er ist noch mal zurück in die Wohnung gegangen und hat seine alte Kratzerthäftlingskleidung.
00:25:46: Da erzählten die alten Nachbarn noch in den siebziger Jahren davon.
00:25:50: Und das hat mich natürlich ungeheuer geprägt.
00:25:52: Und dieser Mut und auch dieses Ethos ringen mir bis heute natürlich ungeheuer Achtung ab.
00:26:02: Viel mehr als die irre Ideologie, die so zeugen Jehovas.
00:26:06: Und man muss es natürlich sagen, es ist eine... Ausschließende eine irre Ideologie.
00:26:11: Aber wie gesagt, auch da muss man sich vor der Eindeutigkeit des Urteils und des Fühlens hüten und die Verdienste sehen.
00:26:20: Und natürlich braucht es für die Menschen, die so Tapfe im KZ widerstanden haben.
00:26:27: Und die damit, das darf man ja nicht vergessen, Hitlers Angriffskriegen, auch so genannt, dass Menschen Material entzogen haben.
00:26:35: Also natürlich verdienen diese Menschen ein Warnmann.
00:26:38: Vielen Dank.
00:26:38: Wie erlebst du heute die politische Stärke an den politischen Rändern mit Blick auf die Gefährdung der Freiheit durch die links- und rechtsextremen Putin-Knechte?
00:26:51: Enorm.
00:26:52: Im Osten ganz laut, brutal, unverfälscht.
00:26:57: Hier ist das dann beim Lesungen nicht bei meinem Publikum, sondern wenn ich zuvor im Zug gesessen habe, in Bussen, in der Tram.
00:27:08: Es ist immer dieses Kreinen der Putin, der Putin und was wird aus uns.
00:27:12: Also im Grunde genommen eine narzistische Störung, die davon ausgeht, dass man sich nur um sich selbst zu kümmern habe und zu kreien habe, wenn das nicht Erfolg einhergeht mit einer ungeheuren Solidarisierung.
00:27:26: Das, was ich über ukrainische Flüchtlinge höre.
00:27:29: Ich will jetzt nicht die ganzen vulgären Sachen hier wiedergeben.
00:27:33: Erinnert mich an das, was ich als Kind gehört habe.
00:27:37: als man über Polen und Solidarnasch in den übelsten rassistischen Stereotypen gesprochen hat.
00:27:43: Im Westen ist es verfeinerte.
00:27:45: Da würde man natürlich nicht in Vulgarismen abdriften, zumindest in bestimmten Milieus nicht, sondern man würde dann ganz klügelnd von den beiden Konfliktparteien Ukraine und Russland sprechen, von Russlands Sicherheitsinteressen.
00:28:01: Das heißt, man würde den Irrsinn und den Geschichtslügen ein Pseudo-reflektiertes männlischen Umhängen.
00:28:10: Und in meinem neuen Bufreiz-Aufgabe beschreibe ich beides.
00:28:14: Ich muss es wirklich sagen, dieses primitiv herausgerotzte im Osten und dann dieses klügeln pseudo-parzifistische im Westen.
00:28:25: Und ich sage pseudo-parzifistisch, weil es ist eine Haltung, die dem massenmörderischen Kriegs-Herren Putin ja in die Hände spielt.
00:28:36: Und dann ist es eben nicht mehr Pazifismus, dann ist es Kooperation.
00:28:40: Der Titel deines Buches Freiheitsaufgaben klingt erst einmal nach etwas Unerledigten.
00:28:46: Wie sollen wir deiner Meinung nach die Zukunft besser gestalten, um die Freiheit besser zu bewahren?
00:28:53: Ich glaube schon einmal dadurch, dass wir die Freiheitsgefährdungen sehen und versuchen sie genau... so genau wie möglich zu beschreiben.
00:29:03: Wir haben ja mehrere Freiheitsgefährdungen durch Putins Angriffskrieg, der bei der Ukraine nicht halt machen wird.
00:29:10: Dann den Islamismus, der von weiten Teilen auch eines demokratischen linken Milieus geleugnet wird.
00:29:19: Und dann natürlich den Rechtsextremismus, wo ich mit großer Sorge sehe, dass Ultrakonservative, die natürlich Teil der demokratischen Rechten sind, die es in jedem Land braucht, mit dem Gedankenspielen, ob man mit den Rechtsextremen nicht vielleicht punktuell doch das eine oder das andere, und ich bin dankbar, dass der Bundeskanzler klar gemacht hat, konservativ, wertkonservativ.
00:29:48: Bedeutet natürlich Gegnerschaft gegen Extremismus, gegen Extremismus von links, aber natürlich auch gegen Extremismus von rechts, und mit unterbraucht es, Lassen Sie mich da auch ganz offen sein, Feinderklärungen.
00:30:02: Das Buch von Karl Popper, das er im Exil geschrieben hat, in Nordseland, und das eine große Abrechnung ist, mit den totalersten bis zum zwanzigsten Jahrhunderts, heißt ja nicht die offene Gesellschaft und diejenigen, mit denen man vielleicht sich ins Benehmen setzen könnte, sondern es heißt ganz klar die offene Gesellschaft und ihre Feinde.
00:30:19: Und Toleranz lässt sich natürlich nur leben und auch institutionell bewahren, wenn man gegenüber den Feinden der Toleranz, egal ob sie von links oder egal ob sie von rechts kommen, klare Kante zeigt.
00:30:31: Du warst im März in Kadinabia beim Menschenrechtsforum und hast da dankungswärterweise dein Buch und es geschieht jetzt.
00:30:40: Jüdisches Leben nach dem siebten Oktober vorgestellt.
00:30:43: Das Thema Antisemitismus, das Thema siebte Oktober war jetzt in den letzten Wochen und Monaten auch in Deutschland sehr, sehr intensiv in der politischen Debatte.
00:30:53: Wir haben schon fast verdrängt, dass es einen Antisemitismus von links gibt und seit Jahrzehnten
00:31:00: gab.
00:31:01: Wir haben noch mehr fast verdrängt, dass die DDR sich sehr stark
00:31:05: gegen.
00:31:06: die Existenz Israels gestellt hat und den Terrorismus unterstützt hat.
00:31:11: Nicht nur der Terror der Roten Armee-Fraktion, sondern auch den Terror von Gegnern des Staates Israels.
00:31:18: Wie?
00:31:19: Ist dein Verhältnis, du bist ein Freund, ein reisender Freund, der immer wieder in Tel Aviv ist beispielsweise.
00:31:27: Wie bewertest du unsere aktuelle Auseinandersetzung mit diesen beiden Phänomen, das auf der einen Seite auf deutschen Straßen tagtäglich Israels Vernichtung beschrien wird?
00:31:40: Gleichzeitig Juden auf eine Art und Weise angegriffen werden, dass nicht nur ihre Synagogen ständig unter Polizeischutz stehen müssen, sondern sie praktisch selber.
00:31:49: Kaum noch ohne Leibwächter auf die Straße gehen können, wenn sie beispielsweise eine Kieper tragen.
00:31:54: Das sind krasse Entwicklungen, die wir aktuell eben.
00:31:58: wie bewertest du das?
00:32:00: Du hast sich in deinem Buch damit ausführlich auseinandergesetzt.
00:32:04: Was bedeutet das für Deutschland, dass wir diese Phänomene tagtäglich sehen und erleben müssen?
00:32:11: Ja, danke für die Frage.
00:32:12: Es geht ja weiter.
00:32:13: Es ist ja nicht mit meinem Buch abgeschlossen.
00:32:15: Ganz kleinere Detail.
00:32:16: Wenn ich Lesung habe aus diesem Buch, ist, wenn sie in Gemeindessellen der jüdischen Gemeinde stattfinden, Polizei vor der Tür, die die jüdischen Gemeinden immer bewachen müssen.
00:32:26: Und in anderen Städten ist die Polizei zumindest informiert.
00:32:29: Zu weit.
00:32:31: zu dieser Floskel der Antisemitismus hat keinen Platz in Deutschland.
00:32:34: Natürlich hat er leider Platz.
00:32:36: Die Formulierung sollte lauten, wir tun alles dafür, dass er keinen Platz in Deutschland hat.
00:32:40: Aber er ist natürlich in Deutschland manifest, in einwanderer Milieus, in muslimischen einwanderer Milieus.
00:32:46: Ich glaube, da muss man auch sehr genau sein.
00:32:47: Man spricht ja immer von den Immigranten.
00:32:49: Ich habe noch nie irgendwie von... von Indern oder von Vietnamesen in dieser Hinsicht etwas gehört, sondern in bestimmten Einwanderer Milieus.
00:32:56: Übrigens auch natürlich nicht bei allen Muslimen und natürlich dann in den Institutionen der sogenannten Multiplikatoren, wo ein Gepläckter an die Semitismus sich unter der Camouflage der Israel-Kritik breitmacht, wo ich auch sage, es ist sehr merkwürdig, dass im Land der Nachfahren der Nazi-Täter Im Duden das einzige Wort, was Kritik an einem Land betrifft, Israel-Kritik ist.
00:33:23: Es gibt keine Russland-Kritik, es gibt keine USA-Kritik.
00:33:26: Es gibt als Dudenformulierung mittlerweile Israel-Kritik und das sehe ich mich durchaus in der Pflicht auch Deutsche Heucheleien.
00:33:34: deutlich als solche zu bezeichnen.
00:33:36: Ich mache natürlich auch kein Hilf, dass meine Freunde in Israel, meine Freunde und Freundinnen dort, diejenigen sind, die bis heute auf die Straße gehen, gegen den Tanjaus-Versuch aus Israel eine illiberale Demokratie zu machen im Sinne von Orban.
00:33:50: Also eine Gefahr von innen zu beschreiben.
00:33:52: Das hat aber wieder hiesisch in Israel Kritik überhaupt nichts zu tun.
00:33:56: Es ist eine Dämonisierung des gesamten Staates und ich finde auch sehr... Also, man muss kein Psychologe sein oder Psychologisch studiert zu haben, um zu sehen, warum gerade auch in Deutschland sofort angesichts des Leitz Zivilbevölkerung in Gaza das Wort Völkermord fällt.
00:34:16: Könne man es nicht bei Kriegsverbrechen belassen?
00:34:18: Kriegsverbrechen ist stimmt genug.
00:34:19: Dafür gibt es dann Richter und im Inland und im Ausland.
00:34:23: Nein, es ist sofort das Wort Völkermord, was natürlich angesichts des Geschehens völlig absurde ist.
00:34:30: Und ich frag mich... Weshalb?
00:34:32: Ich erinnere mich dann an frühere Jahre, Jahrzehnte, man verglich Ariel Charon mit Hitler.
00:34:38: Wo ich mich frage, warum Hitler?
00:34:41: Hätte es nicht auch Pinochet sein können?
00:34:43: Hätte es nicht als Vergleich ein französischer Folter-General in Algerien sein können?
00:34:48: Nein, es kommt sofort die der Nazi-Vergleich und es ist natürlich klar, dass es... für ein bestimmtes Milieu, was eben nicht nur aus dem Migranten besteht, sondern aus den sogenannten Bio-Deutschen, und zwar den, die sich auch noch als progressiv sehen, ganz eindeutig ist, eine Schuldumlagerung zu machen.
00:35:10: und mit meinen Mitteln, die mir als Schriftstelle da zur Verfügung stehen, versuche ich da natürlich dagegen zu schreiben und dagegen zu argumentieren, weil es einfach, es ist ja nicht nur faktisch falsch, sondern moralisch, eine einzige Sauerei ist.
00:35:25: Das ist eine gute Brücke zu meiner nächsten Frage.
00:35:27: Du als Schriftsteller bist ja vielleicht besonders gefordert, wenn gesagt wird, jetzt vor dem Hintergrund für den Dreißigjahr, Einheit Deutschlands, Wiedervereinigung Deutschlands.
00:35:37: Wir müssen... und zwischen Ost und West noch mehr Geschichten erzählen.
00:35:41: Weil wir einfach so unterschiedlich, vierzig Jahre und ganz unterschiedliche Jahre erlebt haben.
00:35:45: Verstehst du dich tatsächlich als jemand, der das macht, der diese Geschichten erzählt?
00:35:50: Erzählst du deine Geschichten, um zu vergessen, zu erinnern oder um zu verstehen?
00:35:55: Gute Frage.
00:35:56: Ich glaube, mit meinem Buch Sommer noch so einundneunzig.
00:35:59: Also ich dann zum letzten Mal für eine längere Zeitperiode, nämlich zwei Monate zurückgekommen bin in den Osten.
00:36:06: war das als literarisches Thema für mich dann auch ja beschrieben und vorbei.
00:36:12: Und ich glaube, bei all den Dingen, wenn wir immer sprechen, über Osten-Westen, wir haben es ja nicht mit zwei Landeshälften zu tun.
00:36:19: Allein in Nordrhein-Westfalen leben mehr Menschen.
00:36:23: als im Gebiet der östlichen Bundesländer.
00:36:25: Und alle, die in den östlichen Bundesländern leben, sind auch nicht alle, die seit Jahren oder Jahrzehnten oder Generationen schon dort gelebt haben.
00:36:34: Da sind natürlich auch viele Westdeutsche dazugekommen, viele Einwanderer.
00:36:37: Und von denen, die jetzt, ich sage mal, Flapsiggenuin Aussies sind, sind ja auch nicht alles irgendwelche Hardcore-Nostalgiker.
00:36:45: Also ich würde da auch für ein bisschen mehr Augenmaß, mit einem kleinen Blick auf die Statistik.
00:36:53: Der kann nicht schaden, siebzehn Prozent der Bundesbürger leben in den östlichen Bundesländern.
00:36:59: Das ist wichtig, dass man darüber spricht, aber ich bin natürlich auch kein Freund dieses aus der Ostzone kommenden Größenwarns, dass man dort etwas erlebt hat, was weltgeschichtlich einmalig ist und sozusagen nur zu beschreiben ist.
00:37:17: in dieser vor der brauen oder heine müller sprache die sogar an antiken tragöden und tramen dann anleihen nimmt wo ich sagt also der berliner oder sagen habt es nicht nur mal kleiner
00:37:29: sehr schön.
00:37:30: in einigen tagen jährt sich der neunte november zum sechsten.
00:37:33: dreißigsten mal.
00:37:35: im vergangenen jahr hattest du einen auftritt mit einer Manche würden sagen großartigen, fulminanten Rede im Schloss Bellevue.
00:37:43: Vielleicht war das auch die wichtigste Rede, die im vergangenen Jahr zum Thema friedliche Revolution neun achtzig, fünfdreißig Jahre nach gehalten wurde.
00:37:50: Was sind eigentlich deine Pläne für dieses Jahr?
00:37:54: Eine gute Frage.
00:37:57: Ich bin natürlich kein hauptberuflicher Redenhalter, der jetzt irgendwie belehrend oder schvatronierend durch das Land ziehen will oder soll.
00:38:07: Ich sehe mich weiterhin als Beobachter und ich muss ehrlich sagen, ich sitze jetzt nicht so gern auf Podien, wo man dann auch befragt wird zu allen möglichen Themen, was ich dann auch immer sehr merkwürdig finde, weshalb ist das Bedürfnis da Menschen?
00:38:24: wie jetzt gerade mein Mikrofon in der Hand halten und zu einem Thema sprechen, gleichzeitig anklicken zu wollen, zu allen möglichen Themen bis hin.
00:38:33: Ich bin auch schon gefragt worden, welchen Ratschlag ich der Deutschen Bahn geben würde.
00:38:37: Wo ich dann sage, natürlich, ich bin nicht zuständig, wahrscheinlich kommt es aber noch aus dem Glauben heraus, Intellektuelle sind die allzuständig.
00:38:45: Und man muss es auch sagen, mit Günter Gras als schlechtesten Beispiel haben das ja auch nicht wenige bewirtschaftet, zu allen etwas zu sagen zu haben.
00:38:53: Und ich würde mich dann nur und ich bescheide, dass ich über die Dinge spreche, die mich interessieren, über die ich mich kundig gemacht habe und weiter kundig machen möchte.
00:39:02: Wenn man die Neugier verliert, ist es schon zu spät.
00:39:05: Dann hat man nämlich ein Tape, was immer wieder abrufbar ist und man erzählt auf jedem Podium das Gleiche und man schlimmer noch, man erzählt sich es auch selbst immer wieder in der gleichen Form und dann ist natürlich eine... Sterilität und ein Versteinern die logische Konsequenz und das hat immer neugierig bleiben und auch sozusagen mit dem Widerspruch befreundet sein, der einschließt auch der Widerspruch gegen sich selbst und die Hinterfragung der eigenen Referenzmuster.
00:39:41: Zwei wichtige Sätze von Mannes-Sperbe, wo er sagt, auch wer gegen den Strom schwimmt, schwimmt im Strom.
00:39:48: Und der zweite Satz ist, wir sind alle partiell im Unrecht.
00:39:51: Das bedeutet nicht, einem Wertrelativismus zu hüldigen, sich im Ohnensessel zu drehen und sagen, ja, die einen sagen so, die anderen sagen so, genau, das weiß man nicht.
00:40:00: Das bedeutet es nicht, sondern es bedeutet, sich selbst immer wieder zu hinterfragen, wo sind meine blinden Flecken?
00:40:06: Wo kann ich etwas dazu lernen?
00:40:09: Was hatte ich noch nicht auf dem Schirm?
00:40:11: Und das hat nicht dieses Entwederode, sondern die hohe Kunst des Hinzufügens.
00:40:17: Und ich meine, diese hohe Kunst des Hinzufügens ist so schön, auf die haben nicht mal die Schriftsteller ein Monopol.
00:40:25: Das hast du sehr schön gesagt.
00:40:26: Was jetzt die Hörer und Hörerinnen nicht wissen und nicht sehen können, weil sie dir nicht gegenüber sitzen, ist, dass du einen Huli an hast, einen grauen Huli mit einer schwarzen Aufschrift, der Lenski.
00:40:39: Und du hast auch eine dunkle Jacke dabei, die auch ein Ukraine-Button hat.
00:40:45: Ich möchte jetzt gar kein neues Fass aufmachen, aber ich möchte die ganz gerne, weil du auch in deinem aktuellen Buch Freiheitsaufgaben auf das Thema eingehst und auch den ukrainischen Botschafter.
00:40:58: Das gehört ja auch vielleicht sogar dazu, wenn man über ein Werk spricht, dass viele Bücher enthält, dass man dem Auto auch die Möglichkeit gibt, zumindest kurz aus dem eigenen Buch zu lesen.
00:41:10: Und deshalb würde ich mich bitten, die beiden letzten Absätze deines neuen Buches Freiheitsaufgaben vorzutragen.
00:41:17: Vielen Dank.
00:41:18: Ja, das mache ich gern.
00:41:19: Die letzten beiden Absätze lauten noch in der Erinnerung.
00:41:26: die tiefe Enttäuschung anzuhören.
00:41:28: Da ja nicht nur eine Liedzeile und das Geblappe eines politisierten Sängers betroffen waren, sondern viel mehr.
00:41:37: Freiheit ist also Satire.
00:41:39: Ist der Kampf für die Freiheit ein Aprilscherz?
00:41:43: Ist Freiheit ein Witz?
00:41:46: Es könnte unserem Land nicht schaden, auch darüber weiter nachzudenken.
00:41:50: Und es weder für Satire noch für hohes Patus zu halten, Wenn die heutige Ukraine den berühmten Solidarungs-Satz übernimmt, dass sich wiederum auf die Littausch polnischen Aufstände gegen die zahlistische Disputie bezog, für Eure und unserer Freiheit.
00:42:09: Vielen Dank, das war schon ein sehr, sehr schöner Schlusssatz.
00:42:13: Vielen Dank, lieber Marco, dass du hier im Podcast Menschenrechte nachgefragt der politischen Meinung unter Konrad Adnerstiffen zu Gast
00:42:20: warst.
00:42:21: Ich danke für das Hosting und für die stimulierenden Fragen.
00:42:24: Vielen Dank.
00:42:25: Und morgen natürlich eine tolle Preisverlängerung zum Ovid-Preis in Frankfurt am Main.
00:42:29: Dankeschön.
00:42:30: Herzlichen Glückwunsch.
00:42:43: Danke.